Akte X
Mulder noch einmal.
Duane zeigte sich ungerührt.
Mulder rückte vorsichtig näher. »Runter auf den Boden!«
Endlich wandte sich Duane ihm wieder zu und blinzelte verwirrt, als sei er überrascht, ihn hier vorzufinden. Mulder deutete herrisch auf die durchgeweichte Erde. »Auf den Boden, habe ich gesagt!«
Duane kicherte albern und ließ sich einfach fallen. Wieder überkam Mulder die verrückte Vorstellung, daß gerade irgend jemand die unsichtbaren Fäden durchtrennt hatte, mit denen Duane bisher gesteuert worden war. Er beugte sich zu ihm hinab und zog ihm Scullys Pistole aus der Hose. Duane schien es nicht zu bemerken. Sein Gesicht war naß, entweder durch den Regen oder durch seine eigenen Tränen.
Als Mulder Scullys Pistole einsteckte, wälzte sich Duane auf den Rücken, setzte sich auf und richtete den Blick wieder zum Himmel. Ein glückseliger Ausdruck huschte über seine Züge und ließ ihn einen winzigen Moment lang fast schön aussehen.
Mulder stolperte einen Schritt zurück. »Keine Bewegung!«
Zum ersten Mal schien sich Duane ausschließlich auf Mulder zu konzentrieren. Er grinste ihn an und schüttelte den Kopf. »Ich werde nirgendwo hingehen.«
Mulder trat von hinten an ihn heran, zog ein Paar Handschellen aus der Tasche und ließ sie um Duanes Handgelenke zuschnappen. »Wo ist sie? Wo haben Sie sie hingebracht?«
Duane schaute den Agenten an, als sei Mulder derjenige, der den Verstand verloren habe. »Die haben sie mitgenommen.«
Mulder blickte sich hektisch auf der Lichtung um. »Wer?«
Duanes Achselzucken war Antwort genug. Er starrte wieder zum Himmel empor. »Die. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß die auch jemand anderen nehmen würden...«
Mulder richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf Duanes ausgezehrtes Gesicht. Er sah Wangenknochen, die sich scharf unter der Haut abzeichneten; Augen, die den unerträglichen Druck widerspiegelten, der sich in Duanes Schädel aufgebaut hatte, Augen, die förmlich aus den Höhlen quollen, und...
... und Verbrennungen. Winzige rote Brandblasen, als habe irgend etwas Heißglühendes das Gesicht des Mannes versengt. Mulder starrte die Wunden an. Er wußte, was derartige Verbrennungen hervorrufen konnte, er besaß Hunderte von Berichten über ähnliche Verletzungen.
Plötzlich brach hinter ihm dröhnender Lärm aus. Er richtete sich auf, seine Schulterblätter verkrampften sich. Grelles weißes Licht ergoß sich über die Lichtung.
Das irre Lächeln auf Duanes Gesicht verblaßte; er starrte entsetzt direkt in das Licht, das hinter den Bäumen aufstieg.
»Nein! Nein!«
Duane versuchte aufzustehen, aber Mulder warf sich auf ihn, preßte ihn mit seinem Gewicht auf den
Boden. Wegen seiner gefesselten Hände war Duane hilflos, aber mit den Beinen trat und strampelte er wild um sich.
»Neeeiiinnn!«
Jetzt sah Mulder es auch, einen riesigen Lichtpunkt, der über der Lichtung erschien und einen grellen Strahl aussandte, der auf der morastigen Wiese herumzutasten schien. Er krallte eine Hand um die Kette der Handschellen, obwohl Duane gar keine Anstalten machte zu fliehen. Duane lag, vor Entsetzen wie gelähmt, auf dem Boden, wimmerte und stöhnte, während die Lichter näher und näher kamen... - und dann begann er erneut zu schreien: »Neeeiiinnn!«
Mulder hob eine Hand schützend vor seine Augen. Der Wind war noch stärker geworden, wirbelte Zweige und Grasfetzen in die Luft und peitschte sie ihm ins Gesicht.
Das Licht glitt direkt über ihn hinweg, und Mulder konnte den gleichen Schemen ausmachen, den er kurz zuvor schon einmal gesehen hatte.
Einen Hubschrauber.
11 Das Restaurant auf dem Gipfel des Skyland Mountain 20:46 Uhr
Der Blutfleck auf Duane Barrys Sweatshirt hatte sich so weit ausgebreitet, daß der Aufdruck »University of Maryland« nicht mehr lesbar war. Einer der Sanitäter zog das Shirt hoch, während der andere einen Druckverband auf der immer noch schwach blutenden Wunde anbrachte.
Mulder hockte in einer Ecke des Büros, das sich direkt hinter dem leeren Restaurant befand. Er starrte Duane an, das Kinn auf die Fäuste gestützt, die Ellbogen auf die Knie, und sah zu, wie die Sanitäter den ehemaligen FBI-Agenten behandelten. Sie hatten ihm die Handschellen abnehmen wollen, was Mulder aber nicht zugelassen hatte. Schließlich beendeten sie ihre Arbeit und ließen Mulder und Duane allein in dem kleinen Büro zurück. Mulder starrte sein Gegenüber weiterhin unverwandt an. Er schwieg, obwohl es
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