Akte X
Schlafzimmer empfunden hatte.
»Es gibt da eine Seite an ihr, über die ich nie nachgedacht habe«, begann er.
»Ja?«
»Wenn sie eine solche Skeptikerin ist, warum hat sie dann das hier getragen?«
Er zog die Hand aus der Tasche, öffnete sie und reichte Margaret das Kreuz. Sie nahm es ihm aus der Hand, starrte es an, und plötzlich glitzerten ihre Augen feucht.
»Ich habe es Dana zu ihrem fünfzehnten Geburtstag geschenkt.«
Mulder nickte. Eine vernünftige Erklärung, vielleicht die erste, die er seit Tagen gehört hatte. Er hob den Kopf, als Margaret etwas Überraschendes tat. Sie hielt ihm das Kreuz hin, und nach kurzen Zögern nahm er es zurück.
»Möchten Sie es denn nicht behalten?«
Margaret Scully lächelte. »Geben Sie es ihr zurück. Wenn sie wiederkommt.«
Sie sahen einander an und spürten wieder diese Verbundenheit zwischen sich, teilten miteinander das Geheimnis, das Hoffnung heißt.
11 Skyland Mountain Mitternacht
Mulder schlug die Wagentür hinter sich zu und lief in den Wald hinein. Er wußte nicht, warum er hierher zurückgekehrt war. Was immer hier auch passiert sein mochte - und es war eine Menge passiert, davon war er überzeugt -, es war vorbei. Duane Barry war tot, Scully war verschwunden.
Er fand die Lichtung auf dem Berggipfel und ging langsam weiter, blickte zu den Sternen auf und verspürte das altvertraute Gefühl von Ehrfurcht.
Der Himmel, die einzige Unendlichkeit, die die Menschheit kennt. Irgendwo dort draußen war... Meine Schwester? dachte Mulder. Scully?
Er erhielt keine Antwort. Nach einer Weile drehte er sich um, kehrte zu seinem Wagen zurück und fuhr davon.
Teil Drei An der Grenze
Neuntes Kapitel
1 Morgan & Wong Grabsteine und Gedenktafeln Washington D.C.
Mulder saß Margaret Scully im staubigen Kundenraum von Morgan & Wong gegenüber. Gedämpftes Licht fiel durch die verzogenen Blätter der Jalousien. Die Sitzgelegenheiten bestanden aus zerkratzten Chromgestellsesseln mit rissigen braunen Lederpolstern, auf denen getrockneter Schweiß vieler Jahre dunkle Flecken hinterlassen hatte. Irgendwo hinter der Ladentheke am anderen Ende des Raumes dröhnten schwere Maschinen. Das Blatt einer Kreissäge fräste sich durch irgendein hartes Material, das schrille Heulen steigerte sich zu einem durchdringenden Kreischen, bevor es unvermittelt verstummte.
»Einmal, als sie noch ein Mädchen war, ein kleines Mädchen...«, sprach Margaret in die plötzliche Stille hinein. Mulder hörte ihr gebannt zu.
»Dana spielte in den Wäldern«, fuhr Margaret fort. »Es war Herbst.«
Ihre Stimme klang sanft und verträumt. Sie schaute Mulder an, während sie sprach, aber gleichzeitig wurde auch die Erinnerung in ihr wach, nahm Gestalt an. Die Frau sah diesen Tag, der schon so lange zurücklag, vor sich, als sei es gestern gewesen.
Damals war Dana zehn Jahre alt. Margaret erkannte die steilen, mit Kiefern bewachsenen Berghänge, den makellos blauen Himmel. Dort war ihre gesamte Familie, die beiden Mädchen, die Jungen und ihr Mann Bill, der mittlerweile gestorben war.
Dana, Bill, Bill junior, Charlie und Melissa mit dem für sie so typischen verträumten Gesichtsausdruck. Melissa, die ein bestimmtes Buch, dessen Seiten bereits so abgegriffen waren, daß sie sich wie Seidenpapier anfühlten, wie einen Talisman überall mit sich herumtrug: Die Möwe Jonathan.
Dana tollte mit den Jungen herum, sie war schon immer ein wildes Kind gewesen. Sie hielt ein Luftgewehr in den Händen, was bei einem zehnjährigen Mädchen normalerweise irgendwie unpassend wirkte, doch für Dana schien es wie gemacht zu sein.
Ihre Brüder hatten ihr das Gewehr zum Geburtstag geschenkt und zeigten ihr, wie man damit umgehen mußte. Dana hüpfte übermütig herum, lachte fröhlich, hob das Gewehr an und drückte ab. Die Kugel verließ den Lauf mit einem scharfen Zischen.
Bill senior hatte seinen Kindern eingeschärft, immer nur auf alte Dosen zu schießen, doch dann hatte Bill junior eine Natter im Gras entdeckt.
Margaret sah es wieder vor sich: Bill junior packte die harmlose Schlange, schleuderte sie auf eine Stelle, wo das Tier von keinem Grashalm mehr geschützt wurde. Es wand sich hilflos und versuchte zu entkommen. Die Kinder lachten...
Und dann fingen die Jungen an, auf die Schlange zu schießen. Dana wollte mit ihren Brüdern mithalten, und so schoß sie ebenfalls. Am Anfang war die Entfernung zu groß, aber die Kinder gingen näher an die Schlange heran und schössen immer weiter...
Margaret
Weitere Kostenlose Bücher