Akte X
Gesichtsausdruck veränderte sich kaum, doch ihr Blick wurde noch etwas kühler.
„Es tut mir leid“, verkündete sie und bemühte sich, ein Lächeln zustandezubringen, „aber Mr. Chaco kann Sie heute nicht mehr empfangen.“
Mulder nickte und ging nicht weiter darauf ein. Sein Daumen zeigte auf den Schrank. „Wissen Sie, was da drin ist?“
Die Hausdame wirkte betroffen, und das Lächeln auf ihren Lippen wurde noch um einige Grade eisiger. Ohne es zu merken, imitierte sie das Grinsen des Totenschädels in der Vitrine. „Ich... ich weiß es nicht“, stieß sie hervor und wich einen Schritt zurück.
Äußerlich blieb Mulder gelassen. Er zeigte mit keiner Regung, ob er die hektische Reaktion der Hausdame bemerkt hatte. „Können Sie ihn aufmachen?“
„Ich habe keinen Schlüssel“, sagte die Frau schnell.
Mit einem leichten Schulterzucken sah Mulder zu dem Schrank zurück. Doch plötzlich schwand seine demonstrative Ruhe, und er ließ sich auf die Knie fallen. Auf dem Teppich unter dem Schrank war ein braunroter Fleck. Er konnte alles Mögliche sein: Kaffee, ein verschütteter Drink, heruntergetropfte Möbelfarbe.
Oder Blut.
Mulder erhob sich und griff nach einer kleinen Statue, die auf einem niedrigen Tisch neben dem Schrank stand. Am Gewicht der Figur erkannte er, dass sie aus Gusseisen sein musste.
Perfekt.
Wieder und wieder hämmerte er mit der Statue auf das Vorhängeschloss am Schrank.
„Was tun Sie denn da?“ kreischte die Hausdame hinter ihm, doch sie machte keinerlei Anstalten, ihn aufzuhalten.
Noch einmal schlug er mit aller Macht zu. Holz splitterte. Mulder ließ die Statue fallen, griff mit beiden Händen nach den Schranktüren, öffnete sie und...
Mehrere Dutzend Köpfe starrten ihm entgegen.
Mulders erster Eindruck - den er gleich im Augenblick seines Entstehens wieder verwarf - war, dass es sich um Halloweenmasken handeln musste. Es wären die grausigsten gewesen, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Augen und Münder der Köpfe waren mit einem dicken schwarzen Garn im Zickzackstich zugenäht worden. Einige der Köpfe sahen alt und verfallen aus Mulder konnte den weißen Schädelknochen durch die Risse in der geschrumpften Haut hindurchschimmern sehen. Andere schienen wesentlich frischer zu sein, aber auf allen Köpfen, den männlichen wie den weiblichen, war das Haar noch vorhanden.
Es waren keine Masken. Mulder wusste es, noch bevor er George Kearns’ Kopf vorn im zweiten Fach erkannte.
Es waren Walter Chacos Trophäen. Die Köpfe der Opfer der Kannibalen von Dudley.
Mulder wandte sich ab. Die Hausdame war fort. Er hatte nicht gehört, dass sie gegangen war, doch es überraschte ihn nicht weiter.
Er ließ die Türen des Schranks weit offenstehen und verließ den kleinen Raum. Dann eilte er die Treppe hinauf und fragte sich, ob Walter Chaco nun wohl bereit wäre, ihn zu empfangen.
Scully befand sich ebenfalls auf der Treppe. Sie war im Obergeschoss gewesen, doch auch dort hatte sie keine Spur von Doris Kearns entdeckt.
Gerade als sie die Stufen hinunterstieg, läutete das Funktelefon in ihrer Tasche. Sie steckte ihre Waffe in das Halfter zurück und zückte ihr Handy.
„Scully“, meldete sie sich.
„Ich bin es“, vernahm sie Mulders Stimme. „Chaco ist nicht hier.“
Scully hatte den Fuß der Treppe erreicht und wandte sich dem Wohnzimmer zu, in der Absicht, das Erdgeschoss noch einmal ausführlich in Augenschein zu nehmen.
„Ja“, entgegnete sie. „Mrs. Kearns ist ebenfalls verschwunden. Ich glaube nicht, dass sie freiwillig gegangen ist. Der Strom war abgeschaltet, als ich hier eingetroffen bin. ..“
Von ihrem Standort aus konnte sie nicht sehen, dass Walter Chaco hinter der Tür im Wohnzimmer stand. Er wog eine Eisenstange in den Händen.
„... und ihr Auto steht immer noch in der Auffahrt“, setzte Scully ihren Bericht fort.
Während sie das Wohnzimmer betrat, konnte sie Mulder am anderen Ende seufzen hören. „Chaco muss sie sich geschnappt haben...“
Und dann vernahm sie nur noch ein metallisches Pfeifen, das in ein Dröhnen überging und alle ihre Gedanken auslöschte. Chaco hatte die Eisenstange niedersausen lassen und ihren Kopf gestreift. Scully brach zusammen, Telefon und Taschenlampe entglitten ihren Händen.
Schwitzend und schwer atmend stand Chaco über ihr und betrachtete mit leichter Sorge das Blut, das aus einem Riss über ihrer Stirn quoll.
Er glaubte nicht, dass er sie getötet hatte. Er hoffte, dass sie nur vorübergehend besinnungslos war. Das
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