Akte X
besaß.
„Wenn wir uns gegen uns selbst wenden“, fuhr Chaco fort, „dann sind wir nicht besser als Tiere.“
Harold nickte. Nun verstand er, worum es Chaco ging. Sie waren eine Familie, und so sollte es auch bleiben.
In Gedanken war Chaco offensichtlich schon einen Schritt weiter. „Um die FBI-Agenten sollten wir uns Sorgen machen“, sagte er langsam und nachdenklich. „Sie sind das wirkliche Problem...“
Harold sah ihn an. Natürlich - das war es. Es war alles ganz einfach. Sie mussten nichts weiter tun, als diese beiden Agenten loswerden, und die Dinge würden wieder ihren normalen Lauf nehmen. Der Gedanke gefiel ihm.
Er gefiel ihm sogar sehr gut.
Auf ihrem Heimweg fühlte sich Doris Kearns zunächst viel besser. Mr. Chacos Worte waren so beruhigend gewesen, seine Stimme so einnehmend. Sie war überzeugt, dass sich alles zum Besseren wenden würde.
Doch je weiter sie fuhr, desto stärker meldeten sich ihre Zweifel zurück. Was sollte sie sagen, falls die beiden FBI-Agenten sie noch einmal verhörten? Würde sie das durchhalten? Mr. Chaco war nicht wirklich auf ihre Sorgen eingegangen - er hatte ihr nicht gesagt, wie sie sich verhalten sollte.
Als sie schließlich zu Hause eintraf, war sie erneut in Panik. Nun peinigten sie nicht nur ihre alten Ängste, denn während sie in ihrem Gedächtnis nach einer Spur der Beschwingtheit suchte, die sie noch kurz zuvor empfunden hatte, dachte sie an das, was Mr. Chaco tatsächlich gesagt hatte - und ihre Angst wurde noch größer.
Er hatte gesagt, es gäbe einen Preis zu bezahlen und... dass sie sich gut um sie kümmern würden. Das war nicht unbedingt eine beruhigende Mitteilung. Womöglich versteckte sich hinter diesen Worten eine ganz andere Botschaft. Vielleicht würden sie sich wirklich um sie kümmern. Ein für allemal!
Sie flüchtete sich in ihr bescheidenes Haus - das Haus, das sie zusammen mit George ausgesucht hatte - und lief schnurstracks in die Küche. Hinter einem Magneten am Kühlschrank steckte eine Karte, die sie am Tag zuvor dort hingehängt hatte.
Sie betrachtete die Karte, las die Nummer und den Namen des Mannes, von dem sie sich Hilfe erhoffte.
Fox Mulder.
Als Mulder und Scully das Gerichtsgebäude erreichten, war es bereits seit einiger Zeit dunkel. Das Gebäude war über Nacht geschlossen, und die meisten Angestellten waren längst nach Hause gegangen.
Dennoch waren die Türen noch offen.
Mulder vermutete, dass die Hausmeister sie später, wenn die Putzfrauen ihr Werk getan hatten, verschließen würden. Gemeinsam mit Scully schlüpfte er hinein und folgte den Hinweistafeln zum Urkundenarchiv, das den wohlklingenden Namen ,Hall of Records’ trug. Für ein Archiv, in dem es nichts weiter als Aktenschränke aus Metall gab, war das ein arg hochtrabender Name. In diesen Archiven wurden alle wichtigen Dokumente einer Stadt aufbewahrt. Eigentumsurkunden, Heiratsurkunden, Sterbeurkunden- wenn man sich nur genug Zeit nehmen würde, könnte man an diesem Ort eine komplette zeitgeschichtliche Dokumentation der Stadt zusammenstellen.
Vor der Tür mit der Aufschrift ,Geburtenregistration’ blieben Mulder und Scully stehen. Hier wurden die Geburtsurkunden aller Menschen, die in dieser Gemeinde zur Welt kamen, sorgfältig aufbewahrt.
Zumindest sollte es so sein.
Sie hatten die Tür gerade einen Spalt weit geöffnet, als ihnen klar wurde, dass irgend etwas nicht in Ordnung war. Kaum hatten sie sie ganz aufgestoßen, stieg ihnen der unverwechselbare Geruch von Rauch in die Nase.
Scully betätigte den Lichtschalter, doch nichts geschah, also knipsten sie ihre Taschenlampen an. Augenblicklich bemerkten sie die Reihen rußgeschwärzter Aktenschränke an den Wänden. Einige Schubladen standen auf und gaben den Blick auf die graue Asche frei, die von den Geburtsdokumenten der Bewohner dieser Stadt übriggeblieben war.
„Da hat jemand mit Streichhölzern gespielt“, bemerkte Mulder trocken.
„Es riecht, als ob es erst kürzlich gebrannt hätte“, ergänzte Scully schnüffelnd.
„Ich wette, es ist kein Zufall, dass nur die Geburtsurkunden verbrannt sind... Anscheinend wurden wir erwartet.“
Mit gerunzelter Stirn überlegte Mulder, ob irgend jemand in ihrer Nähe gewesen war, als er und Scully über ihren Plan gesprochen hatten, die Geburtsurkunden einzusehen. Möglicherweise war ihr Gespräch belauscht worden.
In diesem Augenblick klingelte sein Funktelefon. Er zog es aus der Tasche und klappte es auf. „Ja?“
„Hier ist Doris Kearns“, meldete sich eine
Weitere Kostenlose Bücher