Akte X
verängstigte Frauenstimme am anderen Ende. „Ich bin zu Hause. Ich muss Sie sofort sprechen.“
„Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“
„Ich habe Angst um mein Leben“, sprudelte sie hervor. Mulder hörte ein Geräusch, das nach einem unterdrückten Schluchzen klang, dann: „Ich glaube, er will mich umbringen.“
„Wer?“ Alamiert sah Mulder zu Scully hinüber.
Er hörte das schwere Atmen am anderen Ende, während Doris Kearns sich zu einer Entscheidung durchrang. Endlich antwortete sie.
„Mr. Chaco.“
Mehr brauchte Mulder nicht. „In Ordnung, Mrs. Kearns“, sagte er eindringlich. „Ich möchte, dass Sie zu Hause bleiben und die Türen verschließen. Und öffnen Sie niemandem, bis Agent Scully bei Ihnen ist.“
„Ja, gut“, wisperte die Frau am anderen Ende. Mulder hörte ein leises Klicken, als sie den Hörer einhängte.
Mit fragend erhobenen Augenbrauen wartete Scully, bis Mulder das Telefon wieder in seiner Tasche verstaut hatte. Sie sollte sich also um Mrs. Kearns kümmern.
„Und wo wollen Sie hin?“
„Ich werde Chaco verhaften.“
Doris Kearns hatte kaum den Hörer aufgelegt, als sie zur Vordertür lief, um sich zu vergewissern, dass sie auch abgeschlossen war. In der letzten Zeit hatte sie sie stets verschlossen gehalten, doch noch war es ihr nicht zur Gewohnheit geworden, und nachdem sie so eilig ins Haus gelaufen war, wusste sie einfach nicht mehr, ob sie den Riegel vorgeschoben hatte oder nicht.
Sie war überrascht, als sie feststellte, dass die Tür nicht nur unverschlossen war, sondern außerdem einen Spalt weit offen stand. Ängstlich betrachtete sie die Tür. Sie konnte sich nicht erinnern, sie so hinterlassen zu haben. Oder vielleicht doch? Schließlich war sie gleich in die Küche gerannt, um so schnell wie möglich den FBIAgenten anzurufen.
Als sie die Tür ins Schloss drückte und den Riegel umlegte, verloschen alle Lichter im Haus.
„Nein!“ schrie sie auf und wirbelte herum. Jemand war im Haus. Jemand, der gerade die Hauptsicherung abgeschaltet hatte.
Zitternd schob sich Doris durch den dunklen Flur- ihr Haus war zu einer tödlichen Falle geworden. Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben. Wenn sie bis zur Treppe kam... konnte sie in ihr Schlafzimmer flüchten. Dort würde sie die Kommode vor die Tür schieben und sich in dem Raum verbarrikadieren. Ja, genau. Das musste sie tun. Das würde sie tun. Sie machte noch einen Schritt, als...
... eine riesige Gestalt mit einem grauenhaften Gesicht aus dem Wohnzimmer trat und sich zwischen sie und die Treppe stellte. Sie erkannte ihn sofort wieder. Er war bei der Zeremonie dabei gewesen, an der sie teilgenommen hatte, und wieder trug er die Stammesmaske. Rote Federn bildeten den Rand, und über die Wangen zogen sich gelbe Streifen. Trotz der Dunkelheit konnte Doris das leuchtende Weiß um Augen und Mund deutlich erkennen.
Dann sah sie die Axt in der Hand des Maskierten. Der Lichtschimmer einer Straßenlaterne spiegelte sich im hässlichen Metall des Werkzeugs. Es war zu spät. Doris wusste, dass es zu spät war.
„Nein!“ Ihr Schrei gellte gespenstisch durch das ruhige Haus. „Bitte!“
Doch die maskierte Gestalt kam näher. Doris trat einen Schritt zurück, dann noch einen, dann fühlte sie die Vordertür, verschlossen und verriegelt, in ihrem Rücken.
Wieder schrie sie, als der Mann bedrohlich nahe kam. Sie hatte keine Zeit, sich umzudrehen und an der Tür zu hantieren... Erst als sich der Maskierte schon über sie beugte, gelang es ihr, den Riegel zurückzuschieben.
12
Als Scully Doris Kearns’ Haus erreichte, wusste sie sofort, dass irgend etwas nicht stimmte.
Im ganzen Haus herrschte tiefe Dunkelheit.
Nach Scullys Erfahrung neigten verängstigte Menschen nicht dazu, allein im Dunkeln zu sitzen - sie tendierten viel eher dazu, jedes Licht im Haus anzuschalten, bis sie Hilfe bekamen. Ein dunkles Haus war kein gutes Zeichen.
Scully parkte in der Auffahrt hinter Doris Kearns’ Wagen, ging zur Vordertür und klingelte.
Keine Antwort.
Sie hielt ihre Taschenlampe an die Glasfläche der Vordertür. Die Wände des Hausflurs wurden vage in der Dunkelheit sichtbar, doch sie konnte keine Bewegung entdecken.
„Mrs. Kearns?“ rief sie mit schwindender Hoffnung. „Agent Scully.“ Noch immer keine Antwort. Sie rüttelte an der Türklinke, doch die Tür war abgeschlossen.
Scully ging um das Haus herum, und der Wind wickelte ihr den Mantel um die Beine. Im Licht der Taschenlampe, die sie auf den Plattenweg richtete, tastete sie sich zur
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