Akte X Novel
einem Beweismittelbeutel. Im Gegensatz zu Steve Holvey hatte er seine Krawatte zur Sicherheit ins Hemd geschoben. Die Garagentür war wieder geschlossen, und Mulder wollte nicht das Risiko eingehen, daß irgend etwas den Motor in Bewegung setzte.
Scully kam herein, als er gerade von der Leiter stieg.
„Haben Sie etwas gefunden?" erkundigte sie sich.
„Ja", erwiderte Mulder und hielt ihr den Beutel hin. „Vielleicht."
„Sieht wie Asche aus."
„Stimmt", bestätigte Mulder und fuhr mit der behandschuhten Hand über das Dach des Wagens, der dem toten Steve Holvey gehört hatte. Auch hier blieb Asche am Handschuh hängen. „Sie ist überall. Schauen Sie sich das an."
„Die Holveys sagten doch, sie hätten Probleme mit den elektrischen Leitungen im Haus", versuchte Scully eine Erklärung. „Die Asche könnte von einem Kurzschluß des Motors stammen."
„Ich habe den Motor überprüft. Er funktioniert tadellos."
„Und was glauben Sie, was das ist?"
„Keine Ahnung", erwiderte Mulder nachdenklich, „aber ich werde es analysieren lassen."
Was immer es mit der Asche auf sich haben mochte, sie erschien Scully irrelevant. Es gab wichtigere Dinge, um die sie sich kümmern mußte.
„Also, bevor wir irgend etwas anderes tun, sollten wir Charlie Holvey aus diesem Haus schaffen. Ich habe die Sozialpsychologin angerufen, damit sie herkommt und einen Bericht macht."
„Die Gerichte schalten sich nur sehr ungern in solche Angelegenheiten ein", meinte Mulder. Seine Faszination für unerklärliche Dinge hatte seine Aufmerksamkeit für die weltlicheren Details seiner Arbeit als FBI-Agent nicht erlahmen lassen.
„Nicht, wenn ein Kind in Gefahr ist", entgegnete Scully. „Und nicht, wenn sie von den zwei toten Hähnen im Zimmer der alten Frau erfahren."
„Tatsächlich?" fragte Mulder. Irgendwie ergab dieser Fall noch keinen Sinn. Diese seltsame Asche, die Angst der alten Frau vor dem Bösen ... „Glauben Sie immer noch, daß dies ein Fall von Münchhausen-Syndrom ist, Scully?"
Scully bestätigte ihre Überzeugung, ohne zu zögern. „Ich habe nicht den geringsten Zweifel." Ehe sie das letzte Wort ausgesprochen hatte, erwachte der Motor über ihren Köpfe zum Leben, und erschrocken sahen sie zu, wie sich das Garagentor öffnete.
„Was haben Sie gemacht?" fragte Scully.
„Ich habe gar nichts gemacht", sagte Mulder langsam und blickte hinaus auf die Einfahrt. Dort standen Menschen, die langsam zum Vorschein kamen, als das Tor sich hob. Es war Golda, die den kleinen Charlie vor sich hielt, flankiert von den drei Männern, die Scully vom Fenster aus gesehen hatte.
„Bleiben Sie ... weg ... von ... unsere ... Haus!" herrschte Golda sie in gebrochenem Englisch an. Sie ließ ihrer Warnung einen eisigen Blick folgen, wandte sich dann ab und schob Charlie vor sich her. Die Männer in Schwarz folgten ihr schweigend ins Haus.
7
Scully saß auf Mulders Schreibtisch und studierte die Akte über die Holveys, während sie darauf wartete, daß er mit dem Röntgen-Spektrogramm der Asche zurückkehrte. Es handelte sich wahrscheinlich um irgendeine natürliche Erscheinung, aber er schien damit zu rechnen, daß es etwas Außergewöhnliches war.
Als er hereinkam und mit einem Computerausdruck wedelte, blickte sie auf.
„Wollen Sie mal etwas Unheimliches sehen?" fragte er und reichte ihr die Grafik. Scully, die ihn gut genug kannte, sah, daß er erregt war, obwohl seine Miene kein Anzeichen von Erregung zeigte. Aber die Art, wie er sich bewegte, seine plötzliche Lebhaftigkeit sprach Bände.
„Was denn?" fragte Scully. Es war nichts zu sehen außer einer vollkommen geraden Linie in einem Koordinatensystem.
„Das ist die chemische Analyse der Asche aus dem Haus der Holveys", erklärte Mulder eifrig, während er seinen Mantel von der Stuhllehne nahm. Er schlüpfte hinein und deutete auf die gerade Linie auf dem Blatt.
„Keine Spur von irgendeinem Metall. Keine Spur von Kohlenstoff oder Sauerstoff. Rein gar nichts." „Was soll das bedeuten?" fragte Scully verdutzt.
„Sie enthält keinerlei organische oder anorganische Substanzen. Die Chemiker sagen, daß diese Asche eigentlich gar nicht existiert. Kommen Sie!"
„Wohin gehen wir?" fragte Scully und rutschte vom Schreibtisch. Was immer diese Asche war - oder nicht war -, sie hatte Mulder jedenfalls ziemlich auf Trab gebracht.
„Eine zweite Meinung einholen", sagte Mulder, der schon halb zur Tür hinaus war.
Die zweite Meinung, die Mulder hören wollte,
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