Akte X Novel
weiteres, und es versank ebenfalls. Schließlich fiel ein drittes Streichholz flammend herab und wurde auf der Stelle verschlungen.
Vor der Tür brach Charlie der Schweiß aus, und er atmete schwer. Was immer da drinnen vor sich ging, hing mit ihm zusammen und zeigte Wirkung auf ihn. Es vernebelte seinen Blick und löste ihn von sich selbst ...
Der Singsang wurde ohne Unterlaß fortgesetzt, und Golda hob ein Fläschchen, um nur ein paar Tropfen einer seltenen, merkwürdigen Flüssigkeit hinzuzufügen. Als sie in die Schüssel fielen, begann das Gebräu plötzlich zu kochen, und eine mächtige Dampfsäule waberte empor - und in dem Dampf wurde der nackte Oberkörper eines Jungen sichtbar. Der Leib des Jungen wand sich, die Zähne waren gefletscht, die Augen voller Haß. Er sah genauso aus wie Charlie - aber es war eine Version Charlies, die von etwas unaussprechlich Bösem entstellt und verbogen war.
Der Sprechgesang wurde lauter, intensiver, als müßten die Worte das fesseln, was sich in der Dampfsäule offenbarte. Und auch die Erscheinung sprach, ihre Stimme war tiefer als die Charlies, und sie sprach Rumänisch, eine Sprache, die der Junge kaum beherrschte.
„Ihr habt keine Macht über uns. Ihr könnt uns nicht schaden!" fauchte das Bild. Sein Zorn und seine Macht schienen die vier Menschen, die es zu bannen versuchten, wie Schläge zu treffen, als ob es allein durch Worte ihre Vernichtung herbeiführen könnte.
Unten, weit weg von dem Kampf, der in Goldas Zimmer ausgefochten wurde, klopfte jemand an die Haustür.
8
Die professionell wirkende Frau mittleren Alters hatte bereits mehrere Male an die Tür geklopft. Endlich öffnete sie sich einen Spalt, und das müde Gesicht von Maggie Holvey kam zum Vorschein. Sie trug einen grauen Morgenmantel und sah aus, als wäre sie aus einem dringend notwendigen Mittagsschlaf gerissen worden.
„Mrs. Holvey?" sagte die Besucherin. „Mein Name ist Karen Kosseff. Ich bin Sozialpsychologin beim FBI. Ich bin angewiesen worden, einen Bericht für die gerichtliche Untersuchung zu erstellen. Darf ich hereinkommen?"
Maggie schüttelte erschöpft den Kopf. „Nein. Bitte. Ich hatte schon genug Schwierigkeiten." „Das verstehe ich, Mrs. Holvey", erwiderte Ms. Kosseff ruhig. Sie sprach mit der beschwichtigenden Stimme einer professionellen Fürsorgerin. „Aber wenn Sie nicht mit mir reden wollen, werde ich das in meinem Bericht erwähnen müssen, und das könnte Ihre Situation durchaus noch komplizierter machen." Nach kurzem Zögern gab Maggie nach und öffnete die Tür, um die Frau hereinzulassen. Ms. Kosseff folgte ihr, sah sich in der Diele um und warf einen Blick die breite Treppe hinauf. Drinnen sah es aus wie in einem typischen Wohnhaus eines mittleren amerikanischen Regierungsbeamten mit Familie.
Dann hörte sie von irgendwo oben den kläglichen Ruf eines kleinen Jungen.
„Mami!"
„Charlie ...?" rief Maggie, und Sorge überschattete ihr Gesicht. Dann rannte sie die Treppe empor, und Ms. Kosseff folgte ihr.
Charlie lag auf dem Flur vor Goldas Zimmertür. Er schien desorientiert und schweißüberströmt zu sein wie im Fieber.
Maggie eilte zu ihm und wiegte ihn in ihren Armen.
„Schon gut, Charlie. Es ist schon gut", murmelte sie und streichelte ihm den Kopf. Als sie merkte, daß die Sozialarbeiterin hinter ihr stand, wandte sie sich rasch um und sagte. „Er war krank. Meine Mutter hatte versprochen, auf ihn aufzupassen ..."
Sie unterbrach sich mitten im Satz, als sie ein feines Fähnchen Dampf oder Rauch bemerkte, das sich unter der Tür ihrer Mutter hervorkräuselte. Sie zog Charlie auf die Beine, als ob sie beide im nächsten Moment fliehen müßten, und rief: „Mutter? Mutter!"
Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete sie die Tür - und erblickte die drei Männer in ihren schwarzen Anzügen mit den rituellen rot-schwarzen Stolen über den Schultern; Golda neben der Messingschale; die Kerzen; den toten Hahn; alle Merkmale einer Zeremonie, von der sie in ihrer Kindheit in Rumänien gehört hatte. Die sie jedoch nie erlebt hatte ... die sie nie hatte erleben wollen ...
Die Männer bedachten sie mit warnenden Blicken. Golda wurde jedoch deutlicher. „Geh sofort hinaus!" befahl sie auf rumänisch.
Maggie antwortete in derselben Sprache, doch sie richtete ihre Worte an die Männer.
„Verlassen Sie mein Haus!"
Sie rührten sich nicht, und der Älteste, der Mann mit dem schneeweißen Bart, sagte in bestimmtem Ton: „Der Junge ist
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