Akunin, Boris - Pelagia 01
Saweljewnas. Nun musste er nur noch die Macht der Kirche und der Justiz in die Hand bekommen, aber da erlitt er eine Schlappe.
Der Bischof, dem Bubenzow am Freitag, dem Tag nach seinen ersten Visiten, seine Aufwartung machte, empfing den ungebetenen Kontrolleur mürrisch, ließ sich nicht auf leeres Geplauder ein und fragte unumwunden, was für einen Zweck der Besuch des bevollmächtigten Synodalemissärs denn eigentlich habe. Bubenzow wechselte sogleich die Gesprächsrichtung (er hatte scheinheilig mit Zitaten aus der Heiligen Schrift begonnen) und legte bündig den Sinn seiner Mission dar:
»Bischöfliche Gnaden, Sie wissen bestens, dass die derzeitige Linie des Staates in Bezug auf die religiöse Ausrichtung Russlands darin besteht, die führende und wegweisende Rolle der Orthodoxie als der geistigen und ideellen Stütze des Imperiums allseitig zu stärken. Unser Reich ist groß, aber instabil, weil die einen sich mit drei Fingern bekreuzigen, die anderen nur mit zwei Fingern, die Dritten von links nach rechts, weil die Vierten Jehova anbeten und die Fünften gar Mohammed. Das Denken kann und soll verschieden sein, aber in einem Vielvölkerstaat, der seine Einheit wahren will, darf es nur einen Glauben geben, sonst erwarten uns Streit, Bruderzwist und der vollständige Verfall der Sittlichkeit. Das ist das Credo von Konstantin Petrowitsch, und der Zar vertritt dieselbe Ansicht. Daher die dringlichen Forderungen des Heiligen Synod an die Bischöfe derjenigen Gouvernements, in denen zahlreiche Andersgläubige und Schismatiker leben. Aus den westlichen, aus den baltischen, sogar aus den asiatischen Gouvernements berichten die Bischöfe jeden Monat über Tausende, Zehntausende Bekehrte. Nur aus Sawolshsk, wo die Ketzerei, der Islam und sogar das Heidentum blühen und gedeihen, kommen keine erfreulichen Nachrichten. Ich sage geradeheraus: Ich bin vor allem hergesandt worden, um herauszufinden, was der Grund für diese Passivität ist – Unfähigkeit oder Unwilligkeit.«
Bubenzow ließ eine angemessene Pause folgen und fuhr dann wesentlich milder fort:
»Ihre Untätigkeit schadet dem monolithischen Charakter des Imperiums und der Idee der russischen Staatlichkeit und ist ein schlechtes Beispiel für die anderen Bischöfe. Ich bin ganz offen zu Ihnen, Bischöfliche Gnaden, denn ich halte Sie für eine praktische Natur und durchaus nicht für den schöngeistigen Träumer, den einige Petersburger in Ihnen sehen. Lassen Sie uns also ohne équivoques sachlich miteinander sprechen. Sie und ich haben ein gemeinsames Interesse. Wir müssen hier im Transwolgaland dem wahren Glauben zu einem Triumph verhelfen – die Altgläubigen bis auf den letzten Mann in den Schoß der Orthodoxie zurückführen, die Baschkiren zu Tausenden taufen oder noch etwas ebenso Beeindruckendes. Das wird Ihnen helfen, Ihre Eparchie von der Ungnade zu befreien, und mir nützen, weil diese Ereignisse ein direktes Ergebnis meiner Reise sein werden.«
Bubenzow sah die Unzufriedenheit im Gesicht seines Gesprächspartners, nahm sie irrtümlich für Zweifel und fügte hinzu:
»Euer Bischöfliche Gnaden wissen nicht, wie das anzupacken wäre? Bitte sich nicht zu beunruhigen. Dafür bin ich ja hergesandt worden. Ich werde alles aufs Beste arrangieren. Nur werfen Sie mir keine Knüppel zwischen die Beine.«
Der Bischof, ein direkter Mann, antwortete im gleichen Ton ohne Umschweife:
»Ihr Credo ist schädlich und dumm. Konstantin Petrowitsch ist nicht erst seit gestern auf der Welt und weiß so gut wie ich, dass man niemanden gewaltsam zu einem neuen Glauben bringt, höchstens zur Befolgung von diesem oder jenem Ritual, und das ist im Sinne des monolithischen Charakters des Staates ohne jede Bedeutung. Ich nehme an, der Herr Oberprokuror verfolgt irgendwelche anderen Ziele, die mit dem Glauben nichts zu tun haben. Beispielsweise die Einführung von polizeilichen Leitungsmethoden auch in der geistlichen Sphäre.«
»Na und?«. Bubenzow zuckte gleichmütig die Achseln. »Wenn unser Imperium, Ihres und meines, Bestand hat, so nur dank der Willensanspannung der Machthabenden. Jeder Andersdenkende und Andersglaubende muss stets eingedenk sein, dass er unter Aufsicht und Beobachtung steht und dass man ihm keine Unbotmäßigkeit und keine Eigenmächtigkeit erlaubt. Freiheiten – das ist was für Gallier und Angelsachsen, doch unsere Kraft liegt in der Einheit und im Gehorsam.«
»Sie reden mir von Politik und ich Ihnen von der menschlichen Seele.« Mitrofani
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