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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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holte tief Luft und sagte dann Dinge, die besser ungesagt geblieben wären. »In meiner Eparchie gibt es wenig Neubekehrte, weil ich keinen Sinn darin sehe, Altgläubige, Muselmanen und deutsche Kolonisten zum orthodoxen Glauben herüberzulocken. Bei mir kann jeder glauben, an was er will, Hauptsache an Gott und nicht an den Teufel. Wenn sie nur ein frommes Leben führen, bin ich es zufrieden.«
    Bubenzows Augen blitzten, er sagte freundlich, aber mit unverhüllter Drohung:
    »Eine interessante Auffassung für den Bischof eines Gouvernements. Sie deckt sich keineswegs mit der Meinung Konstantin Petrowitschs und des Imperators.«
    In diesem Moment wusste Mitrofani alles über seinen Besucher und dessen weitere Demarchen, darum stand er brüsk auf, zum Zeichen, dass das Gespräch beendet sei.
    »Ich weiß. Deshalb teile ich Ihnen meine Auffassung ohne Zeugen mit, damit zwischen uns alles klar ist.«
    Auch Bubenzow erhob sich und sagte mit einer Verbeugung:
    »Nun, danke für die Offenheit.«
    Er entfernte sich und verschonte fortan das Haus des Bischofs mit seinen Besuchen. Die Kriegserklärung war ausgesprochen und angenommen. Nun trat die Pause ein, die dem Beginn einer Schlacht vorauszugehen pflegt, und zu der Zeit, in der unsere Geschichte ihren Anfang nimmt, war die Windstille noch nicht beendet.
    Bald nach dem erfolglosen Angriff auf die Glaubensfeste folgte der Vorstoß gegen die Stütze der Justiz. Bubenzow, von seinen mittlerweile schon zahlreichen Anhängern aufgeklärt, machte sich nicht an den Vorsitzenden des Gerichtshofes heran und nicht an den Staatsanwalt des Gouvernements, sondern an dessen Stellvertreter Matwej Benzionowitsch Berditschewski.
    Die Unterredung fand im Adelsklub statt, in den Berditschewski aufgenommen war, gleich nachdem er auf Empfehlung des Barons von Gaggenau den Dienstadel erhalten hatte. Den Klub besuchte Berditschewski ziemlich oft, und nicht aus Dünkel, wie er Emporkömmlingen eignet, sondern aus einem ganz prosaischen Grund: In seinem kinderreichen Haus herrschte ein derartiges Tohuwabohu, dass selbst dieser kinderliebe Familienvater gelegentlich eine Atempause benötigte. Meistens saß er abends allein in der Klubbibliothek und spielte mit sich selber Schach, denn in unserer Stadt fand er keinen würdigen Gegner in diesem weisen Spiel.
    Bubenzow trat zu ihm, stellte sich vor und bot eine Partie an. Er bekam das Recht des ersten Zugs, und eine Zeit lang herrschte in der Bibliothek völlige Stille, nur ab und zu knallten die Malachitfiguren aufs Brett. Zu Berditschewskis Erstaunen und Vergnügen war er an einen ernst zu nehmenden Gegner geraten, so dass er tüchtig zu tun hatte, bis seine Schwarzen die Oberhand gewannen.
    »Einen kleinen Prozess bräuchten wir«, brach Bubenzow plötzlich seufzend das Schweigen.
    »Wie meinen?«
    »Sie und ich, wir sind doch Früchte vom gleichen Baum«, sagte Bubenzow herzlich. »Wir klettern nach oben und brechen uns die Fingernägel ab, und alle ringsum sind nur darauf aus, uns hinunterzustoßen. Sie sind ein zum Christentum Bekehrter und haben’s schwer. Gestützt werden Sie nur vom Gouverneur und vom Bischof. Doch ich versichere Ihnen, beide, namentlich der Letztere, werden sich nicht lange halten. Was wird dann aus Ihnen?« Er zog den Turm. »Gardez.«
    »Einen kleinen Prozess?«, fragte Berditschewski zurück, dabei blickte er konzentriert aufs Brett und zupfte mit den Fingern an seiner langen Nase (eine unangenehme Angewohnheit bei ihm).
    »Genau. Gegen die Altgläubigen. Wegen Gotteslästerung oder, besser, wegen Grausamkeit. Verhöhnung der rechtgläubigen Heiligtümer wäre auch nicht schlecht. Beginnen müsste man mit einem Kaufmann, einem möglichst angesehenen. Bei einem Reichen kommt der Geldsack stets vor dem Glauben. Wenn man ihn ordentlich unter Druck setzt, wird er seinen Vorteil erkennen und sich lossagen, und dann werden viele es ihm nachtun. Zurzeit kriegen ja wohl die Polizei und die Konsistorialen und auch Ihre Gerichtsleute von den Altgläubigen Schmiergeld, aber wir werden von ihnen nicht Geld verlangen, nein, wir verlangen, dass sie sich mit drei Fingern bekreuzigen, sie und ihre ganze Sippschaft. Na?«
    »Sie kriegen nicht«, antwortete Berditschewski, indes er eine komplizierte Kombination berechnete.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Die Polizei und die Konsistorialen und auch die Gerichtsleute. Das ist bei uns im Gouvernement nicht üblich, bitte schön. Ich schlage das Bäuerlein.«
    »Und die Dame?«, sagte Bubenzow

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