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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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verwundert, schlug sie jedoch ohne Zögern. »So werden auch Ihre Gönner geschlagen werden, und das in kürzester Zeit. Herr Berditschewski, ich brauche zu meiner Unterstützung einen gewiegten Rechtskundigen, der die hiesigen Bedingungen gut kennt. Überlegen Sie es sich. Das könnte eine große Karriere ergeben, vielleicht nicht in der reinen Justiz, sondern in der Kirchengerichtsbarkeit. Dort wäre auch Ihr Judentum kein Hindernis. Viele Säulen der Gesetzgebung entstammen Ihrer Nation, und auch jetzt gibt es unter den Bekehrten eifrige Propagandisten der Orthodoxie. Bedenken Sie auch die Folgen eines Sträubens.« Er fuchtelte viel sagend mit der geschlagenen Dame. »Sie haben doch Familie. Und wie ich höre, wird wieder Zuwachs erwartet?«
    Berditschewski war verängstigt und vermied es, den Blick vom Brett zu heben, er murmelte:
    »Entschuldigen Sie, mein Herr, aber erstens sind Sie matt. Und zweitens« (dies sagte er fast flüsternd und mit zitternder Stimme), »sind Sie ein Lump, ein niedriger Mensch.«
    Sagte es und kniff die Augen zu, denn er dachte gleichzeitig an das Doppelduell und an seine zwölf Kinder und an den erwarteten Familienzuwachs.
    Bubenzow lachte auf und musterte den blass gewordenen Helden. Er blickte um sich, ob jemand in der Nähe war (war nicht), verpasste Berditschewski einen sehr schmerzhaften Nasenstüber und ging. Berditschewski schniefte, da fielen zwei rote Tropfen aufs Brett, und er machte einen zögernden Versuch, dem Beleidiger nachzulaufen, aber die aufsteigenden Tränen hüllten alles in einen regenbogenfarbenen Schleier. Er stand noch ein Weilchen, dann setzte er sich wieder.
    Nunmehr bleibt nur noch, von dem Gefolge des ungewöhnlichen Synodalkontrolleurs zu berichten, denn dieses Paar war nicht minder malerisch als Bubenzow selbst.
    Sein Sekretär war Tichon Jeremejewitsch Selig, der würdige Herr, der dem Wächter aus dem Fensterchen der schwarzen Kutsche freundlich zugenickt hatte. An dem Namen des Beamten, mehr noch aber an seiner Art sich zu geben und zu reden wurde deutlich, dass er dem geistlichen Stand entstammte. Es hieß, Konstantin Petrowitsch habe den einfachen Psalmenleser in seine Nähe geholt, da er an dem bescheidenen Kirchendiener wohl etwas Besonderes wahrgenommen hatte. Im Synod bekleidete Selig nur einen kleinen, unauffälligen und schlecht bezahlten Posten, aber der Oberprokuror würdigte ihn recht oft vertraulicher Vier-Augen-Gespräche, so dass viele, auch unter den Hierarchen, Angst vor ihm hatten.
    Dem Inspektor Bubenzow war dieser mäusleinstille Beamte mitgegeben worden als Auge der vertrauenden, doch kontrollierenden Macht, und er kam seinen Pflichten zunächst gewissenhaft nach, aber zum Zeitpunkt der Ankunft in Sawolshsk war er schon gänzlich dem Zauber seines zeitweiligen Chefs erlegen und zu seinem vorbehaltlosen Jünger geworden, da er offenbar entschieden hatte, dass niemand zwei Herren dienen könne. Womit Bubenzow ihn gewonnen hatte, wissen wir nicht, möchten aber annehmen, dass diese Aufgabe für einen so erfinderischen und talentierten Mann nicht sonderlich schwierig gewesen war. Selig blieb seinem Gewerbe treu, doch er schnüffelte und spionierte jetzt nicht zum Schaden Bubenzows, sondern ausschließlich zu dessen Nutzen – durchaus möglich, dass er als weit blickender Mann in diesem Wechsel seiner Vasallenabhängigkeit Vorteile für sich erkannt hatte. Er war von kleinem Wuchs, zog ewig den Kopf zwischen die Schultern und hatte unnatürlich lange Arme mit scherenartigen Händen, die ihm fast bis zu den Knien reichten, darum hatte Bubenzow ihn in der ersten Zeit »Orang-Utan« genannt, doch später hängte er ihm den noch kränkenderen Spitznamen »Unterleibchen« an. (Selig zeichnete sich nämlich durch besessene Frömmigkeit aus, bei ihm war jedes zweite Wort, ob es passte oder nicht, ein Spruch aus der Heiligen Schrift, und er beging einmal die Unvorsichtigkeit, seinem Herrn gegenüber zu erwähnen, dass er zum Schutz vor dem Gottseibeiuns unter seinem Gehrock ein »geweihtes Leibchen« trage. Selig nahm die Scherze seines Vorgesetzten, wie es einem Christenmenschen ziemt, nicht übel, er sagte nur demütig: »Ich entsündige mich mit Ysop und werde rein sein, ich wasche mich und werde weißer sein als Schnee.«
    Der Gouvernementsekretär folgte Bubenzow überallhin wie ein Schatten, gleichwohl gelang es ihm wie durch ein Wunder, auch an vielen anderen Plätzen aufzutauchen, denn er hatte sich in Sawolshsk erstaunlich schnell

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