Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
Vom Netzwerk:
wunderbare Landschaften! Dort zum Beispiel hing eine fabelhafte Arbeit, die mich sehr beeindruckt hat. Erinnern Sie sich? Sie hieß › Ein regnerischer Morgen ‹ . So etwas Expressives, so ein Spiel von Licht und Schatten!«
    Berditschewski warf der Dame, die sich so unpassend eingemischt hatte, einen missvergnügten Blick zu, und Lagrange zog gar drohend die Brauen zusammen und schien die Zwitscherin zur Ordnung rufen zu wollen, aber dafür war Naina Telianowa über den Themenwechsel sichtlich erfreut.
    »Aber ja, über dieses interessante Bild hätten wir reden sollen!«, rief sie und lachte böse, schien auf etwas anzuspielen. »Ich habe es gestern genau betrachtet, jedoch nicht weil es so expressiv war. Meine liebwerte Dame, das Bemerkenswerteste daran war durchaus nicht das Spiel von Licht und Schatten, sondern ein interessantes Detail . . .«
    »Aufhören!«, brüllte Lagrange, er verfärbte sich dunkelrot. »Es wird Ihnen nicht gelingen, mich in die Irre zu führen! All das Herumgerede bringt nichts, wir verschwenden nur Zeit.«
    »So ist es«, sprach Selig. »Es steht geschrieben: Die Seligen halten sich die Ohren zu, auf dass sie das Ungute nicht hören. Und es steht geschrieben: Bist du unter Unvernünftigen, so hüte deine Zeit.«
    »Ja, Lagrange, Sie verschwenden wirklich Zeit«, sagte plötzlich Bubenzow und blickte von seinem Papier auf. »Ich weiß nicht, was ich zuerst machen soll, und Sie veranstalten hier solch ein Melodram. Sie haben mir doch vorhin gemeldet, Sie hätten einen sicheren Beweis. Legen Sie ihn vor, und fertig.«
    Nach diesen Worten warf Berditschewski, der weder von einem sicheren Beweis noch von Lagranges Absprache mit Bubenzow Kenntnis hatte, dem Polizeimeister einen wütenden Blick zu. Der wurde verlegen und wusste nicht, vor wem er sich in erster Linie rechtfertigen sollte.
    »Meine Herren«, sagte er, »ich wollte vor allem anschaulich die Logik des Verbrechens aufzeigen. Und aus Barmherzigkeit dem Täter die Chance geben, ein Geständnis abzulegen. Ich dachte, wir stellen jetzt fest, dass die Photographien die Fürstin Telianowa abbilden, dann braust Schirjajew auf, tritt für sie ein und gesteht. . .«
    Alle ächzten auf und wichen vor Schirjajew zurück. Er stand wie festgewachsen, bewegte nur den Kopf nach rechts und links.
    »So?«, bedrängte Berditschewski den Polizeimeister. »Sie haben also einen sicheren Beweis gegen Schirjajew?«
    »Matwej Benzionowitsch, ich habe noch nicht melden können«, stammelte Lagrange, »das heißt, es ging mir um den Effekt, Entschuldigung.«
    »Was soll denn das? Reden Sie zur Sache!«, fuhr Berditschewski ihn an.
    Lagrange wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Was soll ich reden, der Fall ist klar. Schirjajew ist in die Fürstin Telianowa verliebt und hat davon geträumt, sie zu heiraten. Da aber erscheint der Herzensbrecher Poggio aus der Hauptstadt. Er verdreht ihr den Kopf, verführt sie. Es ist ganz klar, dass sie es war, die ihm für die Nacktaufnahmen posierte. Schirjajew hat schon seit einiger Zeit von Poggios Beziehungen zu der Fürstin gewusst oder es zumindest geahnt, aber sich etwas vorzustellen ist etwas anderes als ein anschaulicher Beweis, noch dazu so skandalöser Art. Die Beweggründe für Poggios unanständige Handlungsweise will ich nicht beurteilen, denn sie haben mit dem hier zu untersuchenden Verbrechen nicht unmittelbar zu tun. Gestern hat sich Schirjajew vor aller Augen mit den Fäusten auf den Beleidiger gestürzt und würde ihn wohl gleich hier totgeschlagen haben, wenn man ihn nicht weggezogen hätte. Darauf hat er die Nacht abgewartet, ist in die Wohnung eingedrungen und hat die Sache zu Ende geführt. Und aus noch ungestillter Rachsucht sämtliche Schaffensfrüchte seines Feindes zerstört, auch den Apparat, mit dessen Hilfe Poggio ihm, Schirjajew, die schwere Beleidigung zufügte.«
    »Aber all das haben wir doch schon besprochen«, sagte Berditschewski unzufrieden. »Diese Version ist wahrscheinlich, beruht jedoch nur auf Mutmaßungen. Wo bleibt der › sichere Beweis ‹ ?«
    »Matwej Benzionowitsch, ich hatte Ihnen versprochen, die Alibis aller Hauptverdächtigen zu überprüfen. Damit haben sich meine Agenten heute beschäftigt. Fürst Telianow hat sich gestern volllaufen lassen, er hat bis tief in die Nacht geweint und geschrien, und dann haben seine Diener ihm Bouillon zu trinken gegeben. Das ist ein Alibi. Herr Sytnikow ist von hier direkt in die Warschawskaja-Straße gefahren, in das

Weitere Kostenlose Bücher