Al Wheeler und der Tanz in den Tod
den Muschelaugen liefen.
»Letzten Sommer war es sehr
heiß in Heidelberg«, bekannte er. »Die Hitze legt sich mir immer aufs Gehirn.
Mein sogenannter Freund Otto, dieser üble Hund — alle bösen Geister sollen ihn
in ranzigem Öl sieden — behauptete, eine Saison dort mit einem zufällig von ihm
gemanagten Opernensemble würde ein Vermögen einbringen!«
Charvossier seufzte tragisch. »Am ersten
Abend saß ich in der vordersten Reihe, und es war ein einsames Erlebnis. Mit
Ausnahme einiger Freunde des Unternehmens, die natürlich Freiplätze hatten, war
das Theater leer. Sechs Wochen lang saß ich hilflos da und sah zu, wie mein
Geld — mein hart verdientes Geld — auf den Flügeln der schrillen Stimme eines
Tenors entschwebte! Als nun Laurence Beaumont von seinem Ballett und der
geplanten Saison in New York zu reden begann, hatte ich kein Geld mehr. Und
dann, wie ein Engel aus dem blauen Himmel herab, erscheint Cissie St. Jerome und bietet mir Geld an !«
Seine massiven Schultern zuckten
ausdrucksvoll. »Sie wollte für den finanziellen Rückhalt sorgen, ich sollte
meine New Yorker Saison haben. Aber — «, seine Hände vollführten die klassische
flehende Geste der Händler seit Urzeiten, »- es gab zwei Bedingungen. Ihre
Freundin aus High-School-Tagen, Natasha Tamayer ,
sollte meine Primaballerina sein. Dagegen hatte ich nicht viel einzuwenden.
Ich sagte zu Cissie , sehr schön, aber sie müsse bitte darauf achten, daß
ihre Freundin ihr Temperament zügle. Das versprach sie auch. Beaumont brauchte
einen Ort, um mit den Solotänzern proben zu können, und essen mußten wir auch.
Auf den Hauptteil des Geldes, sagte sie, müßten wir noch warten, da es sich um
das Geld ihres Vaters handle und sie die Frist bis zur amtlichen
Testamentseröffnung abwarten müßte, die erst in zwei Monaten stattfinde.
Wieder kam mein goldhaariger
Engel zur Rettung. Wir könnten dieses Haus haben, sie wollte für das Essen
sorgen, und wenn Beaumont seine Proben beendet habe, würde sie wohl das Geld
haben, und wir könnten alle nach New York zurückkehren. Aber damit war noch
eine kleine Bedingung verbunden. Sie erinnerte mich daran, daß ich noch einen
zweiten Solotänzer brauchte — wie wäre es, wenn ich Anton Leckwick engagierte? Ich widersprach — ich flehte — ich schrie — ich weinte! Sie blieb
ungerührt. Also — engagierte ich Leckwick .«
»Hat sie Ihnen irgendeinen
Grund angegeben, weshalb sie ihn engagiert haben wollte ?« fragte ich.
»Was für einen Grund ?« zeterte er. »Sie hat doch das Geld, nicht wahr? Was
brauchte sie sonst noch für Gründe ?«
»Vermutlich haben Sie recht .« Ich grinste ihn an. »Jedenfalls vielen Dank.«
»Wofür Dank ?« sagte er bitter. »Ich sollte dem Voyeur dankbar sein, daß er mir die Chance
gegeben hat, anstelle von Leckwick einen wirklichen
Tänzer zu engagieren !«
Ich ließ ihn zurück, während er
versuchsweise mit einer Gabel in einem kalten Pfannkuchen herumstocherte, und
strebte dem Hinterausgang des Hauses zu.
Es dauerte etwa eine
Viertelstunde, bis ich meine Achtunddreißiger fand,
die einen halben Meter von dem kleinen, von mir und dem Stromer in der
vergangenen Nacht zertrampelten Fleck im verwilderten Gras lag. Ich fühlte mich
wesentlich besser, als die Pistole wieder in meinem Gürtelholster steckte. Es
wäre ein wenig peinlich gewesen, dem Sheriff erklären zu müssen, auf welche
Weise ich sie verloren hatte. Ein letzter Blick, bevor ich zum Haus und zum
Healey zurückkehrte, auf den steil ansteigenden Berg, der sich, so weit ich sehen konnte, vor mir erstreckte, erweckte in
mir die Frage, warum um alles auf der Welt sich der Voyeur überhaupt in dieser
Richtung davongemacht hatte? Selbst bei Tageslicht wirkten der Wald und das
dichte Unterholz nahezu undurchdringlich. Bei Nacht war es noch viel schlimmer,
und selbst wenn man es geschafft hätte, so wäre man auf der Spitze des Bald
Mountain gelandet, was großartig sein konnte, wenn man zufällig ein Adler war.
Für Menschen war es ein über zweitausend Meter hohes Nichts.
Der offensichtliche
Alternativgrund war, daß er mich irgendwohin hatte locken wollen, wo er mich
ohne Schwierigkeiten überfallen konnte. Nur setzte das voraus, daß er gewußt
hatte, wo ich war — nämlich im Schatten der Hausecke — , und ich war verdammt sicher, daß es unmöglich gewesen war, dort jemand zu
sehen. Es sei denn, es hätte ihm jemand einen Tip gegeben.
Annabelle Jackson, die
Sekretärin des Sheriffs, der
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