Al Wheeler und die Verführerin
Anmut
zu Boden fallen«, sagte ich. »Niemand wird’s Ihnen übelnehmen — genauso, wie
man’s den Fallschirmjägern zu erzählen pflegte, bevor man sie mit einem derben
Tritt aus dem Flugzeug beförderte.«
»Vielleicht überleg ich’s mir«,
sagte sie vorsichtig. »Erzählen Sie mir mal genau, was Ihr feiges
Schlangengemüt ausgekocht hat.«
»Sie werden folgende Geschichte
zum besten geben«, sagte ich. »Gestern früh sei Hillary zu Ihnen gekommen und
habe Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Familienanwalt einen versiegelten Umschlag
gegeben mit dem Auftrag, ihn nur zu öffnen, falls er in den nächsten sieben
Tagen plötzlich sterben sollte.«
»Das klingt ja gräßlich.« Ilona
schauderte.
»Sie haben den Umschlag heute
morgen geöffnet. In ihm befand sich ein weiterer versiegelter Umschlag und eine
Liste von Instruktionen. Sie sollten zunächst die vier angeführten Personen
zusammenrufen und ihnen in Übereinstimmung mit seinen Wünschen mitteilen, daß
der zweite Umschlag genau vierundzwanzig Stunden nach seinem Tod zu öffnen sei und
sein Inhalt den vier im Motel zur Wanderers Ruh vorgelesen werden soll.«
»Jetzt weiß ich wenigstens, daß
Sie nicht alle Tassen im Schrank haben«, sagte sie.
»Wer wird schon auf einen
Lockvogel schießen, der am Schreibtisch des County Sheriffs sitzt«, sagte ich.
»Der Lockvogel muß doch irgendwo sein, wo der Mörder sich eine bessere Chance
ausrechnen kann.«
»Ich begreife, Al«, sagte sie
lebhaft. »Ich soll den Umschlag heute abend um acht Uhr zehn öffnen, aber ein
paar Stunden vorher haben Sie schon einen ganzen Lastwagen voll Beamte des
Sheriffs ringsum versteckt.«
»Sie liegen schon wieder völlig
falsch«, sagte ich besorgt. »Dahin führt kein Weg. So was würde der Mörder
schon kilometerweit vorher riechen. Außer Ihnen, den vier anderen — und mir
wird niemand anwesend sein. Und ich hoffe, daß niemand außer Ihnen wissen wird,
daß ich dort bin.«
»Das klingt geradezu
unwiderstehlich«, sagte Ilona dumpf. »Wie eine Typhusepidemie.«
»Wenigstens einer von den vier
wird Sie wahrscheinlich fragen, warum Sie den versiegelten Umschlag nicht
postwendend der Polizei übergeben haben«, warnte ich sie. »In dem Fall sagen
Sie, daß Hillary in seinen Anweisungen äußerste Verschwiegenheit angeordnet
habe und daß Sie als seine Anwältin Sorge dafür trügen, daß seinen Wünschen
entsprochen würde.«
Ilona nickte düster. »Wann
fangen wir an?«
»Sofort«, sagte ich. »Rufen Sie
die vier an, bevor sie andere Pläne für den Abend machen.«
»Wen denn alles?«
»Lyn und Angela Summers, Rickie
und Ray Willis.«
»Und einer von den vieren soll
der Mörder sein?« fragte sie nervös.
»Von Ihnen und mir abgesehen,
verfüge ich über keine weiteren Verdächtigen«, sagte ich sachlich.
»Wo treibe ich Ray Willis auf?«
»Ich bin nicht sicher — sein
Klub ist inzwischen geschlossen. Fragen Sie Rickie, der wird es wissen.«
»Und was tun wir danach — ich
meine, bis acht Uhr abends?«
»Rufen Sie erst mal an«, schlug
ich vor. »Wir können uns dann danach den Kopf zerbrechen. Und vergessen Sie
nicht, es muß wirklich überzeugend klingen. Wenn irgend jemand auf den Gedanken
kommt, es könnte ein Trick sein, ist alles im Eimer und wir sitzen den
restlichen Nachmittag wie die begossenen Pudel hier.«
»Ich werde mein Bestes tun«,
sagte sie entschlossen.
»Das lobe ich mir«, sagte ich.
»Wahrscheinlich wollen alle Beteiligten von Ihnen die Umschläge und die Liste
der Anweisungen sehen. Sie müssen also alle vier schnell und nachdrücklich
abwimmeln. Geben Sie ihnen keinerlei Chance, zu widersprechen.«
»Ich kann ihnen ja sagen, ich
könnte unmöglich einen den anderen gegenüber bevorzugen«, schlug Ilona vor.
»Ausgezeichnet. Fangen Sie an.«
Sie rief zuerst Mrs. Geoffrey
Summers an und hängte drei Minuten später auf, während Lyn noch immer Fragen
stellte. Die nächste war Angela, dann folgte Rickie, der ihr sagte, daß sie
seinen Bruder im Central Hotel im Herzen von Pine City erreichen könnte.
Ich erinnerte mich, daß es sich um eine Flohkiste handelte, die dem Grand in nichts nachstand. Als Ray Willis ans Telefon kam, war Ilona bereits
Expertin. Sie teilte ihm die Fakten ohne Auslassung klar und deutlich mit und
legte dann auf, bevor er noch dazugekommen war, sich die erste Frage zu
überlegen.
»Großartig«, sagte ich zu ihr.
»Das haben Sie ganz ausgezeichnet gemacht.«
»Ich bin jedenfalls froh, daß
es vorüber ist«, sagte
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