Al Wheeler und die Verführerin
kehren Sie mit ihr nach
New York zurück?« fragte ich sie. »Sie schulden ihr doch nicht das geringste.«
»Hillary ist tot — und ihre
Tochter eine Mörderin«, sagte Ilona leise. »Sie braucht jemanden, der sich um
sie kümmert.«
»Bei dem Geld, das sie hat,
kann sie sich das Waldorf-Astoria Hotel kaufen und es in eine
Privatvilla verwandeln«, sagte ich. »Dann hat sie so viele Angestellte, daß
sie...«
»Es gibt niemanden außer mir,
mit dem sie überhaupt sprechen kann, Al«, sagte Ilona. »Sie selbst haben doch
gesagt, nicht alles, was man mit Geld...«
»Und so weiter — und so
weiter«, sagte ich. »Okay. Ich werde Sie vermissen.«
»Ich werde Sie vermissen, Al.« Sie lächelte. »Es war auf eine ganz ungewöhnliche Art
schrecklich nett.«
»Letzter Aufruf für Flug
sechs-dreizehn«, plärrten die Lautsprecher.
»Ich muß gehen«, sagte sie.
»Haben Sie was Neues von Angela gehört?«
»Sie befindet sich in einem
katatonen Trancezustand, sagt der Arzt. Wenn die Belastung zu groß wird,
weigert sich das Bewußtsein, sie weiter zu ertragen. Und dann folgt — das
Nichts.«
»Schrecklich«, flüsterte sie.
»Was werden sie mit ihr machen?«
»Sie für unzurechnungsfähig
erklären und in ein Nervensanatorium einweisen«, sagte ich. »Bei diesen Dingen
ist man ja nie sicher. Vielleicht wird sie eines Tages geheilt.«
»Ich hoffe.« Sie küßte mich
plötzlich auf die Wange. »Auch meine süßen Erinnerungen sind durch einen
kleinen Denkzettel beeinträchtigt.« Dann rannte sie auf den Flugsteig zu und
erreichte noch gerade die Maschine.
Nachdem sie abgeflogen war,
kehrte ich zum Healey zurück und fuhr in die Stadt. Es sah so aus, als ob es
ein einsamer Abend werden würde. Ich überlegte mir, ob ich den Sheriff und Mrs.
Lavers besuchen sollte — doch dann entsann ich mich Lavers’ Gesichtsausdruck,
als ich ihm erzählte, daß er sich hinsichtlich Hillarys getäuscht habe, und
entschied mich gegen einen Besuch.
So kam es, daß ich schon gegen
halb zehn vor meinem Haus parkte — so früh war ich seit Jahren nicht nach Hause
gekommen. Ich traf den Hausmeister in der Halle und beobachtete, wie sich seine
grauen Haare bei meinem Anblick sträubten.
»Betrüger«, murmelte er laut.
Ich drückte auf den
Fahrstuhlknopf und sah ihn dann an. »Was haben Sie gesagt?«
»Für betrügerische Polypen wird
wohl ‘ne Extrawurst gebraten? Die brauchen wohl nicht wie gewöhnliche
Sterbliche ins Gefängnis?« fragte er streitlustig.
»Jetzt sagen Sie bloß noch, Sie
haben Ihren Verstand verloren — aber ich werde Ihnen suchen helfen.«
»Das wenigste, was Sie tun
könnten, wäre, Ihre Alimente bezahlen«, knurrte er.
Der Fahrstuhl kam an, und die
Tür glitt zurück. Ihn noch immer verwundert betrachtend, trat ich hinein.
»Wie viele Frauen haben Sie
eigentlich?« explodierte er. Die zugleitende Tür schnitt ihm das Wort ab und
ließ mich etwas ratlos zurück. Als ich die Wohnungstür aufschloß und
hineinging, zerbrach ich mir noch immer den Kopf. Aber offensichtlich war ich nun reif für die Klapsmühle. Das Licht war an, und durch die fünf
Lautsprecher des HiFi-Apparats strömte Musik.
»Zigaretten?« fragte eine
heisere Stimme. Eine atemberaubende Blonde in Strumpfhosen schlenderte auf mich
zu.
»Jerry Cushman«, sagte ich
langsam.
»Sie haben mich doch
aufgefordert, Sie anzurufen, Leutnant«, sagte sie ganz ernsthaft. »Ich habe
zigmal angerufen, aber nie waren Sie da. Da hab’ ich gedacht, ich geh einfach
mal rüber und warte, bis Sie nach Hause kommen.«
»Wie sind Sie denn hier
reingekommen?«
Auf ihren Wangen bildeten sich
Grübchen. »Ich hoffe, Sie werden mir nicht böse sein, Leutnant. Ich habe dem
Hausmeister erzählt, ich sei Ihre Ex-Gattin und wenn es mir nicht gelänge, Sie
heute abend zu treffen—«
»-und von mir etwas von den
rückständigen Unterhaltszahlungen zu bekommen, würden Sie aus Ihrer Wohnung
hinausgeworfen«, beendete ich den Satz.
»Und ich dachte, es sei ein
besonders origineller Einfall.« Sie zuckte die hübschen honigfarbenen
Schultern. »Es war gar nicht einfach, ihn zu überzeugen. Er fragte mich, wie
viele Frauen Sie gehabt hätten, und natürlich sagte ich ihm, nur eine, nämlich
mich. Darauf wurde er schrecklich freundlich und fing an, seinen Kopf zu
schütteln und immerfort zu sagen: >Sie armes kleines Ding, wenn Sie
wüßten...< Ist bei ihm eine Schraube locker?«
»Ich tue mein Bestes dafür«,
sagte ich. »Aber Sie waren mir dabei eine große
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