Al Wheeler und die Verführerin
wollte ihr die Bilder zeigen, ihr
erzählen, daß ihr Freund ein für allemal abgehauen sei und daß der liebe Onkel
sie nach New York zurückwünschte, wo er, Marvin, sie dann regelmäßig besuchen
könnte. Sie hatte — so dachte er — keine Wahl. Am nächsten Morgen mußte sie zu
ihrer Familie zurück, und deswegen war es besser, während der letzten Nacht im
Hotel nett zu Marvin zu sein, weil sonst die Polente die Bilder zusammen mit
der Eröffnung erhalten hätte, daß Willis ein ehemaliger Zuchthäusler sei.«
»Erzählen Sie jetzt den Rest,
damit wir endlich fertig werden«, sagte Lavers. »Langsam fängt’s an, mir in den
Fingern zu jucken.«
»Als nächstes werden wir uns
des lieben, guten alten Onkels annehmen. Das jedenfalls sagte er«, fuhr Jones
in seiner langsamen Sprechweise fort. »>Hören Sie mal zu<, sagte Marvin
zu mir und hob dann das Telefon ab, rief ein Hotel an und bat, mit Hillary
Summers vermittelt zu werden. Er erzählte Summers, daß er Aufnahmen gemacht
habe, beschrieb sie dann in allen Einzelheiten und knüpfte daran die Bemerkung,
daß gleichzeitig mit den Bildern für ihn noch ein Problem aufgetaucht sei.
Die Mutter des Mädchens wollte
die Fotos als Beweismaterial gegen den jungen Willis, damit Anklage gegen ihn
erhoben werden könne. Und nach der Verurteilung des Jungen würde die Mutter das
Mädchen ganz bestimmt irgendwo hinstecken, wo die Füchse ihr gute Nacht sagen,
in eine Nervenheilanstalt oder so was, wo sie bestimmt für lange Zeit außer
Gefecht gesetzt sein würde. Und das würde dem Onkel vielleicht gar nicht
passen.«
»So, wie Sie das erzählen — Sie
alter Geisbock, sitzen wir nächste Woche noch hier«, schnaubte Lavers.
»Vermutlich erzählte Marvin dann Summers, daß er die Bilder dem verkaufen
würde, der am meisten dafür böte. Stimmt’s?«
»Wenn Sie schon alles wissen«,
sagte der alte Mann betont, »warum machen Sie sich dann überhaupt die Mühe,
mich zu fragen?«
»Wieviel bot Summers an?«
fragte ich rasch.
»Hunderttausend«, sagte Jones
ehrfürchtig, »jedenfalls hat Marvin mir das gesagt.«
»Auf welche Weise sollten die
bezahlt werden?«
»Mit einem Scheck. Er sagte
Summers, die Einzelheiten könnten noch im Laufe des Abends geregelt werden.«
»Was haben Sie geantwortet?«
fragte Lavers beinahe höflich.
»Er bat Summers, um elf Uhr
hierher ins Büro zu kommen«, brummte Jones. »Warum hören Sie nicht zu?«
»Haben sie sich um elf
getroffen?« fragte ich ihn.
»Keine Ahnung«, sagte er
gleichgültig. »Ich besorgte mir eine Flasche guten Whiskys und habe mich dann
gegen halb zehn Uhr in einen der unvermieteten Räume zurückgezogen. Das ist das
letzte, woran ich mich erinnere, bis zum nächsten Morgen.«
»Woher wissen Sie dann, daß
Rickie Willis nicht vor Mitternacht zurückkam?«
»Einer der Gäste beklagte sich
morgens, daß er seinen Motor mitten in der Nacht habe laufen lassen«, sagte
Jones triumphierend.
»Genug«, sagte Lavers, »bringen
Sie ihn zu meinem Wagen, Polnik, aber passen Sie auf, daß er mir meine Sitze
nicht schmutzig macht.«
»Ja, Sheriff«, grunzte Polnik.
Er hievte den alten Mann hoch und bugsierte ihn aus dem Büro.
»Ein bißchen klarer sehen wir
ja nun«, sagte Lavers, nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. »Ich
schätze, damit ist die Sache erledigt«, fuhr er dann in herablassendem Ton
fort.
»Nur weil der alte
Astlochgucker uns erzählt hat, daß Marvin sich mit Summers verabredet hat?«
sagte ich spöttisch. »Was für einen Beweis haben Sie, daß Hillary dort
überhaupt aufgetaucht ist?«
13
Ilona begrüßte mich mit einem
Lächeln, als ich in ihr Hotelapartment trat. Ich ließ das Lächeln in meine
kleinen Gehirn-IBMs gleiten, aber das Ergebnis lautete trotz allem noch immer >positiv
platonisch<.
»Es ist Essenszeit«, sagte ich.
»Da habe ich gedacht, daß Sie mich vielleicht einladen.«
Sie trug einen weißen
Orlonpullover und ein Paar eng anliegender grauer Baumwollslacks, die ihr
irgendwie diese Kombination von gesundem, sportlichem Aussehen und Sexappeal
verliehen, von der man in englischen Romanen liest, in denen die Heldin immer
Pamela heißt.
»Mittagessen ist eine gute
Idee, Al«, sagte Ilona. »Warum essen wir nicht gleich hier? Ich lasse den
Zimmerkellner alles heraufbringen. Auf was haben Sie Lust?«
»Reden wir immer noch vom
Essen?«
»Von was denn sonst?«
»Ein dickes rohes, blutiges
Steak«, sagte ich. »Mit gemischtem Salat.«
»Ist das
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