Alanna - Das Lied der Loewin
wirst, wenn wir verheiratet sind«, sagte er gähnend.
Vorerst will ich noch keine Kinder!, wurde ihr gerade klar, und so was wie Panik packte sie. Sie beherrschte sich und sagte trocken: »Noch sind wir nicht verheiratet, mein Prinz.«
Er lachte schläfrig. »Natürlich nicht, meine schöne Löwin. Komm ins Bett!«
Am Tag vor dem Vollmond weckte Alanna Kara und Kourrem schon vor Morgengrauen und ritt allein mit ihnen zur nächsten Oase.
Nachdem sie Gebete für die beiden gesprochen hatte, schickte sie die Mädchen ins kalte Wasser zur rituellen Reinigung, die sie schweigend vollzogen. Keine durfte reden, bis das Ritual am Abend vollzogen war. Keine durfte Magie anwenden oder, abgesehen vom Ankleiden, irgendwelche Arbeiten verrichten. Still kehrten sie ins Lager und zu Alannas Zelt zurück, wo sie sich vor den Altar knieten. Zwei Augenpaare wandten sich der Lampe zu, die dort brannte; Augenblicke später waren Kara und Kourrem in einer leichten Trance versunken. So würden sie stundenlang verharren und über das Leben nachdenken, das sie aufzunehmen im Begriff waren.
Gerade ging die Sonne auf, als Alanna Ali Mukhtabs Zelt betrat. Er war schon wach und nahm eben von Farda eine Tasse Tee entgegen.
»Also haben deine Küken das Ritual begonnen.« Alanna verzog das Gesicht, als sie ihre Heilertasche öffnete. Umar Komms Bezeichnung für ihre Lehrlinge war inzwischen im ganzen Stamm bekannt. »Wie fühlst du dich dabei?«, erkundigte sich Ali Mukhtab.
»Als müsste ich die komplette Ritterprüfung noch einmal durchstehen«, gestand sie, während sie nach seinem Puls tastete. »Wie hast du geschlafen?«
»Erwartest du von mir, dass ich sage: ›Wie ein neugeborenes Kind‹?« Seine Augen funkelten schelmisch. Selbst dem blindesten Stammesmitglied fiel inzwischen auf, wie sehr er an Gewicht verloren hatte und wie grau seine Haut war.
»Ich erwarte von dir, dass du mir das Vertrauen erweist
mich nicht zu belügen.« Sie legte beide Hände auf seinen Arm, holte tief Luft und machte sich bereit, noch einmal die Schmerzen zurückzudrängen. Jedes Mal wurde es schwieriger, für sie und für ihn.
Als sie ihn losließ, schwankte sie rückwärts und wäre gefallen, hätte Farda sie nicht aufgefangen. Sie fühlte sich schwindlig, ihr war übel. So ging es ihr jetzt jedes Mal, wenn sie den Zauber sprach, was sie dreimal täglich tat. Sie nahm das Tuch, das ihr Farda reichte, und wischte sich die Stirn. Schon sanken Mukhtabs Augenlider herunter.
»Wie lange muss Jonathan noch lernen?«, krächzte sie. Ihre Stimme war ebenso kraftlos wie ihr übriger Körper. »Wann wird er bereit sein?«
Sie musste ihr Ohr an den Mund des sterbenden Mannes legen, um zu hören, was er sagte. »Bei Neumond. In vierzehn Tagen.«
»Was ist, wenn er versagt?« Der Gedanke war entsetzlich. Wenn Jon versagte, musste er sterben und Ali Mukhtab ... Die Stimme rang sich ein Lächeln ab. »Dann werde ich meinen Tod erwarten. Alanna...«
»Ja?«
»Auch Akhnan Ibn Nazzir überlebte den Schamanenritus. Deine Küken werden es gut machen.«
Das Licht des Vollmonds tauchte den Wüstensand in ein gespenstisches Weiß. Ein passender Rahmen für eine Initiation, nehme ich an, überlegte Alanna, als Umar Komm die Liste der Götter verlas, denen die Bazhir Ehre erwiesen. Umringt von Zauberfeuern, die in Alannas Violett und in Umar Komms Blaugrün glühten, knieten die Mädchen im Sand. Ihre beiden Lehrlinge wirkten müde, aber ruhig. Alanna war stolz auf
sie. Die beiden werden gut sein für den Stamm, sagte sie sich. Sogar, wenn sie ihre Gesichtsschleier anbehalten wollen.
Umar Komm endete mit seiner Verlesung der Namen der Götter und nickte Alanna zu. Sie streckte die Hände nach den Mädchen aus, wobei ihr bewusst war, dass all jene zuschauten, die in den letzten Tagen beim Stamm des Blutigen Falken eingetroffen waren. Zwischen Alanna und ihren Lehrlingen lag klar und deutlich der Feuerkreis. »Wenn ihr reinen Herzens und starken Willens seid, so kommt!«, forderte sie sie mit den Worten auf, die sie am selben Tag von Umar Komm und den anderen Schamanen gelernt hatte.
Kara erhob sich. Einen Augenblick lang wankte sie, als sie sah, dass die magischen Flammen höher loderten als sie selbst groß war. Dann nahm ihr Mund einen entschlossenen Zug an, und sie durchschritt den Ring. Kourrem folgte, ohne zu zögern. Alanna und Umar ließen Lichterwände aufsteigen und wieder forderte Alanna die Lehrlinge auf: »Wenn ihr tun wollt, was die Götter von
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