Alanna - Das Lied der Loewin
Kopf hängen. »Ich will keinen Ärger machen«, murmelte sie.
Gary lachte. »Natürlich willst du Ärger machen. Das ist es
ja, was dich so sympathisch macht. Komm. Wir müssen die anderen einholen.«
Sie folgte, als er sein Pferd durch eines der vielen Palasttore lenkte. Gary und Raoul hatten ihr so einiges zu denken gegeben. Die Idee, man könnte sie gerade deshalb mögen, weil sie anders war, war natürlich Unsinn. Gary und Raoul sagten echt komisches Zeug, jetzt, wo sie Knappen waren.
Nachdem sie ihre Pferde im Stall untergebracht hatten, holten Gary und Alanna Jonathan ein. Auf dem Hof vor den Ställen standen viele Packesel und Pferde und warteten darauf, gefüttert und versorgt zu werden.
»Sieht aus, als wäre ein wichtiger Gast angekommen«, meinte Jonathan. »Komm mit! Wir laufen zur Eingangshalle und schauen nach, wer es ist.«
Die drei Jungen rannten durch die Palastkorridore, bis sie endlich in der Eingangshalle ankamen. Dort stand ein riesiger Haufen Gepäck, der nach und nach kleiner wurde, während eine ganze Armee von Bediensteten ihn stückweise fortschaffte. Ein großer Mann, der noch immer seinen staubigen Reiseumhang trug, gab dem Palastpersonal und seinen eigenen Bediensteten Anweisungen.
Jonathan stieß einen Freudenschrei aus. »Roger!« Er rannte zu dem Neuankömmling und umarmte ihn, während Alanna und Gary in der Nähe stehen blieben.
Das ist also Jons Vetter, dachte sich Alanna und musterte den Mann. Herzog Roger von Conté war über einen Meter achtzig groß, hatte schwarzbraunes Haar, und sein hübsches Gesicht war von einem sorgfältig gestutzten Bart umrahmt. Seine Augen waren von einem hellen, durchdringenden Blau, seine Nase war gerade und ebenmäßig geformt, er hatte rote, volle Lippen. Sein strahlendes Lächeln war charmant
und selbstbewusst. Er war breitschultrig und muskulös, und seine Hände sahen kräftig aus. Sehr attraktiv, entschied Alanna. Weshalb gefällt er mir dann nicht? Wenn ich mir’s recht überlege, dann kann ich ihn eigentlich überhaupt nicht leiden!
»Also ist er endlich angekommen«, murmelte sie, zu Gary gewandt. Sie wollte sich später Gedanken darüber machen, warum sie Jonathans Vetter nicht mochte.
»Ich ... äh ... ich habe rein zufällig mitgekriegt ...«
»Du hast wieder gelauscht«, sagte Alanna streng.
»Wie gesagt habe ich rein zufällig mitgekriegt, dass er all jene von euch, die die Gabe haben, in der Zauberkunst unterrichten soll«, fuhr Gary fort. »Außerdem will der König, dass er herausfindet, wer uns die Schwitzkrankheit geschickt hat – obwohl die, die das waren, etwas Derartiges sicher nicht mehr probieren werden, jetzt, wo Herzog Roger hier ist. Jeder Zauberer der Ostländer wird sich’s zweimal überlegen, bevor er es mit ihm aufnimmt.«
»Ist er so gut?«, fragte Alanna nachdenklich.
»Ja, das ist er.«
Herzog Roger kam auf sie zu. Einen Arm hatte er um Jonathans Schultern gelegt. »Also wirst du deine Gabe weiterentwickeln? Es wird mir eine Freude sein, dich zu unterrichten, Vetter!« Er streckte Gary eine Hand hin. »Der junge Gareth von Naxen, nicht wahr? Du bist gewachsen, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe.«
Gary schüttelte dem Älteren herzlich die Hand. »Das sagt jeder, Herr. Sogar mein Vater sagt es, dabei sieht er mich fast jeden Tag.«
Roger lachte in sich hinein. »Dein Vater hat zweifellos recht.«
Er sprach ziemlich tief und hatte die melodiöseste Stimme,
die Alanna jemals gehört hatte. Sie starrte den Herzog unverwandt an, als er sich ihr zuwandte. »Und der Kleine hier? An solche Augen und Haare würde ich mich erinnern, da bin ich sicher.«
»Herzog Roger von Conté, darf ich Alan von Trebond vorstellen?« , sagte Jonathan förmlich.
»Trebond?« Der Herzog lächelte, als Alanna sich verneigte. »Von deinem Vater habe ich gehört. Er ist ein berühmter Gelehrter, nicht wahr?«
Alanna zitterte am ganzen Leib – der macht mich ja total kirre, schimpfte sie sich. Sie verschlang die Hände hinter dem Rücken, bevor sie antwortete: »Ich glaube schon, Euer Gnaden!«
»Oh bitte!«, protestierte er. »Lord Roger genügt, und selbst darauf würde ich verzichten, wenn ich nicht wüsste, dass Herzog Gareth entsetzt wäre. Ich komme mir so alt vor, wenn man mich ›Euer Gnaden‹ nennt.«
Jonathan erwartete eine von Alans frechen Antworten und schaute seinen Freund erwartungsvoll an. Zu seiner Überraschung sah Alan nicht so aus, als sei er von Herzog Roger begeistert. Eher sah er
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