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Alarmstufe Blond

Alarmstufe Blond

Titel: Alarmstufe Blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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legte wieder auf.
    »Schade«, erwiderte ich.
    »Moment noch«, sagte er, dann ging er zur halboffenen Terrassentür, die nach draußen in den Garten führte.
    »Emma-Louise!«, brüllte er in das Grün. »Wir haben Besuch! Komm mal rein!«
    Dann zog er den Kopf wieder ein und wandte sich an mich. »Sie kommt gleich.«
    Ich nickte.
    Es dauerte tatsächlich keine zwei Minuten, dann tauchte Emma-Louise aus dem Grün auf. An der Terrassentür streifte sie die Gartenschuhe ab und trat ein.
    »Unsere neue Nachbarin! Welch eine Überraschung!«, rief sie und reichte mir ihre schmutzige Hand. Ich ergriff sie und wünschte mich danach in Gedanken sofort ins Badezimmer. Aber diesen Wunsch äußerte ich nicht laut, sondern wischte stattdessen die Hand unauffällig an meiner kurzen Hose ab.
    »Sie braucht einen Handwerker, aber Peter geht nicht an den Apparat. Weißt du, wo er ist?«
    Apparat. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so eine Ausdrucksweise gehört hatte. Es passte zu dem alten Telefon, das definitiv aus einem anderen Jahrtausend stammte.
    Emma-Louise schüttelte den Kopf. »Er ist unser einziger Maler und Tapezierer hier, er hat immer eine Menge Aufträge, auch im Nachbarort. Aber versuchen sollten Sie es trotzdem. Vielleicht kann er Sie dazwischenschieben.«
    Das klang modern, aber leider nicht sehr optimistisch. Ich wollte etwas erwidern und mich dann verabschieden, doch sie kam mir zuvor.
    »Sie wollen doch bestimmt etwas trinken. Ich habe eine leckere, selbstgemachte Himbeerlimonade im Kühlschrank.«
    Bevor ich ablehnen konnte, lief sie zur Küche und brachte einen Krug mit einer roten Flüssigkeit, füllte sie in ein Glas und reichte es mir.
    Ich nippte daran. Es schmeckte erstaunlich gut.
    Sie sah, wie sich mein Gesichtsausdruck von skeptisch zu wohlwollend wandelte, und begann zu grinsen.
    »Wir brauchen diese ganzen neumodischen Sachen nicht, die man immer in den Geschäften oder in der Werbung sieht. Wir machen das alles selber, auch Mineralwasser mit Zitronengeschmack. Aber vor allem Wurst, Kompott, Marmelade, Tomatensauce, Sauerkraut und saure Gurken. Wir brauchen eigentlich gar keine Supermärkte. Unsere Sachen sind viel besser.«
    »Machen Sie tatsächlich alles selbst?« Meine Neugier war geweckt. Recherchen für meinen Artikel.
    »Fast alles, was man essen kann. Brot kaufen wir allerdings beim Bäcker. Und das Fleisch und die Wurst erhalten wir von einem befreundeten Bauern in Hickelsen, dem Nachbarort. Der ist Schlachter und das, was nicht in den Handel gelangt, nehmen wir ihm ab.«
    »Und das Gemüse bauen Sie selbst an? Macht das nicht viel Arbeit?«, wollte ich wissen. Ich fühlte mich unglaublich investigativ.
    Sie lachte. »Ja, das macht es. Aber was bleibt uns weiter übrig?« Sie zuckte mit den Schultern. »So ist das Leben.«
    »Gibt es keine anderen Jobs?«
    »Viele Dorfbewohner arbeiten im Kuhstall«, mischte sich der Alte ein und grinste, als ich bei dieser Antwort unwillkürlich das Gesicht verzog. »Das habe ich auch bis zur Rente gemacht. Manche schuften aber auch in Hickelsen im Schweinestall. Und manche haben ihre eigenen Felder oder eine Kaninchenzucht. Wir kommen schon über die Runden.«
    »Wir brauchen ja eigentlich nicht viel«, stimmte seine Tochter zu.
    Der Alte sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Allerdings hätte ich gern ein neues Auto.«
    »Wofür das denn?« Emma-Louise schüttelte den Kopf. »Der Trecker reicht völlig aus.«
    Den Trecker kannte ich bereits. Er reichte nicht aus, vor allem nicht, wenn man eine Kopfverletzung hatte.
    »Für dies und das«, wich er aus. »Außerdem würde ich damit gerne mal in die Stadt fahren und ein Philharmonie-Konzert besuchen. Ich habe mal so ein Konzert im Fernsehen gesehen, das war fantastisch!« Seine Augen begannen zu leuchten. »Die Geigen klingen wie Engelsgesänge.«
    Ich musste lächeln. Ich war auch schon ewig nicht mehr in einem Konzert gewesen, obwohl die Philharmonie nicht weit von meiner Wohnung lag.
    »Ja, das ist wirklich toll«, stimmte ich ihm dennoch zu. »Aber auch ein Rockkonzert ist nicht so schlecht.«
    Er schüttelte in Gedanken versunken den Kopf. »Ich liebe es am meisten, wenn sich die Instrumente vor dem Konzert einstimmen und noch ein paar schwere Stellen üben. Das ist, als würden alle Engel durcheinander reden.« Dann sah er auf und grinste. »Und wenn die Pauke ertönt, spricht der Herrgott ein Machtwort.«
    »Wenn die die Trompeten erklingen, wird man leider wieder wach«, warf seine Tochter ein.

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