Alarmstufe Blond
fremde Männer jeder Altersgruppe mit Farbeimern in der Hand davor standen.
»Wir sind hier, um die Wände neu zu streichen. Welche Farben wollen Sie wo haben?«, krähte ein junger Typ im Teenageralter, bevor ich den Mund öffnen konnte.
»Äh, die Skizze liegt auf dem Stuhl im Arbeitszimmer«, erwiderte ich.
Doktor Diercksen ging mit den Männern wortlos an mir vorbei, als er die Rose in meiner Hand sah, lächelte er. Bevor ein Unglück passierte, musste ich ihm so schnell wie möglich klarmachen, dass seine Aktionen nicht gut für uns beide waren.
Doch zuerst gab ich den Männern Anweisungen, in welchen Raum welche Farbe gehörte, wobei ich mich kontrollierend danebenstellte und sie erst in Ruhe ließ, als wirklich die richtige Farbe im Pinsel klebte und auf die Wand aufgetragen wurde. Die Rose landete zwischendurch unauffällig im Müll.
Schließlich stand ich bei Doktor Diercksen im Wohnzimmer und beobachtete, wie seine schlanken Hände den Pinsel umfassten und in einen orangefarbenen Farbeimer tauchten.
»Wo haben Sie die Männer nur aufgetrieben?«, fragte ich interessiert, um ein Gespräch einzuleiten.
»Sie sind aus dem Dorf und haben heute ausnahmsweise Zeit, Tim hat momentan Schulferien, Chris wartet darauf, dass seine Frau mit dem Baby aus dem Krankenhaus kommt, Sebastian darf wegen seiner Tabletten nicht Auto fahren, Lucas hatte heute keine Lust zu arbeiten, weil das Feld zu nass war, in Franks Trecker hat der Blitz eingeschlagen, Bernard ist Rentner, und ich habe heute noch keinen Patienten, werde aber sofort verschwinden, sobald jemand einen Notfall meldet.« Er grinste mich an.
Ich ignorierte seine Anspielung. »Und die Farbe?«
»Die lag bei den meisten noch im Keller. Außerdem hat Peter, der Maler, ein paar Eimer spendiert als Entschuldigung, dass er Sie im Stich gelassen hat.«
Ich war ehrlich beeindruckt. »Das ist wirklich nett. Ich werde mich gern erkenntlich zeigen.«
»Eine Grillparty wäre super«, meinte Tim, der Teenager, der sich offenbar nicht scheute, alles zu sagen, was ihm in den Sinn kam, und der gerade ins Wohnzimmer eilte, um weiße Farbe zu holen. »Wir hatten schon seit Jahren keine richtige Grillparty mehr, nicht wahr, Doc?!«
»Das ist richtig«, stimmte ihm Doktor Diercksen zu. »Aber wir können das natürlich nicht verlangen.«
»Natürlich nicht«, sagte ich. »Aber ich organisiere es gern. Das ist das Geringste, was ich tun kann.«
»Cool«, erwiderte Tim. »Morgen hätte ich Zeit.«
»Gut, dann eben morgen.«
Strahlend verließ er den Raum und ließ mich mit Doktor Diercksen allein zurück.
»Ich hoffe, Sie hatten eine ruhige Nacht. Kein Fieber?«, fragte er nun, während er begann, die Wand zu streichen.
Kein Fieber, nur heiße Träume.
»Die Nacht war okay, alles in Ordnung.« Ich räusperte mich. Ich musste jetzt irgendwie auf seine Gedichte und die Rosen zu sprechen kommen. Wir waren allein, wer weiß, wie lange noch. »Aber ich weiß nicht, ob die Überraschung am Morgen so gut war.«
Er runzelte die Stirn. »Wenn wir Sie aus dem Schlaf geholt haben, entschuldige ich mich, aber der frühe Vogel fängt den Wurm. Und es ist ein großes Haus. Sonst werden wir heute nicht fertig.«
»Das meine ich nicht. Ich spreche von der anderen Sache.«
Er sah mich mit stirnrunzelnd an, als würde ihm nicht gefallen, was er hörte. Aber da musste er jetzt durch. Und ich auch. Ich sprach ein bisschen schneller, um die Sache zügig hinter mich zu bringen.
»Wissen Sie, ich finde Sie wirklich nett und attraktiv, aber mehr kann da niemals sein. Es ist zwar sehr romantisch, wie Sie sich um mich bemühen, aber ich bin keine Frau, die Dreieckssachen eingeht.«
Er sah aus, als hätte ihn ein Traktor überrollt.
»Okay«, sagte er flach. »Ich habe verstanden.« Ich glaubte fast, so etwas wie Bitterkeit und Resignation in seinen Augen zu lesen.
Ich wollte noch etwas Tröstendes hinzufügen, aber ich kam nicht mehr dazu, denn in diesem Moment läutete die Kirchenglocke.
Ich hatte, außer am Sonntag zum Gottesdienst, noch nie die Kirchenglocke in diesem Ort läuten hören, umso erschrockener war ich, als dieser Klang ertönte.
Wie auf Kommando legte Doktor Diercksen den Pinsel in den Eimer, murmelte »Entschuldigung« und eilte zur Tür. »Das ist das vereinbarte Signal für den Notfall. Ich muss los.«
Nur eine Millisekunde später war er aus der Tür und verschwunden.
»Na, das war doch gar nicht so schlimm«, flüsterte das Engelchen auf meiner Schulter, aber
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