Alarmstufe Blond
quietschenden Reifen davon. Ich brauchte noch ein Weilchen, bis ich die Lähmung abschütteln konnte, die sich meiner bemächtigt hatte. Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich am liebsten mit meinem Auto auf und davon gefahren, irgendwohin, wo mir kein Doktor Diercksen begegnen konnte. Aber das ging nicht. Ich hatte eine Aufgabe zu erledigen. Nichtsdestotrotz konnte ich diesem Mann nie wieder unter die Augen treten, das war aus und vorbei. Der hielt mich jetzt für völlig verrückt, absolut irre. Die Wahnsinnige aus der Stadt war da und sagte ihm ins Gesicht, dass sie keine Dreierbeziehung wolle, bloß weil er nett zu ihr gewesen war.
Ich stöhnte laut auf. Ich durfte ihn nie, nie, nie wiedersehen, denn falls doch, würde ich vor Scham so tief im Boden versinken, dass kein Erdölbohrer mich je erreichen konnte. Aber hatte ich nicht vorhin erst alle Männer, die das Haus strichen, zu einer Grillparty morgen eingeladen? Wieder entschlüpfte mir ein gequältes Stöhnen.
Ich konnte nur hoffen, dass er mich inzwischen so hasste, dass er nicht daran teilnehmen wollte.
***
Punkt acht Uhr holte mich Carl Berger ab. Er trug ein helles T-Shirt, das seine Muskeln kaum versteckte, und eine hellblaue Jeans, bei deren Anblick so einige Frauen sicherlich Atemnot bekommen würden. Ich musste zugeben, dass er richtig gut aussah. Normalerweise heißt es ja immer, dass Männer in Uniformen besser aussähen, aber in diesem Fall war es andersherum. Seine Uniform konnte nicht einmal ansatzweise seinen wohlgeformten Körper und sein knackiges Hinterteil zur Geltung bringen. Und in dem hellen Aufzug hatte er ein umwerfendes Lächeln. (Wen es interessiert, ich trug enge Jeans und ein schwarzes Top, das meine Vorderfront vorteilhaft betonte.)
»Hi«, begrüßte er mich einfach und führte mich zu seinem Auto, einen einfachen Mittelklassewagen. Er hielt mir sogar die Tür auf. Ich erwartete fast, dass er meinen Kopf schützte, damit ich ihn beim Einsteigen nicht an das Autodach stieß, aber so weit ging er dann doch nicht. Zum Glück, sonst hätte ich mich wieder wie bei meiner Fast-Verhaftung gefühlt.
Er fuhr uns zu einem Restaurant zwischen Hickelsen und Frankenstein, das etwas versteckt im Wald an einem kleinen Teich lag. Es war wunderschön, ich hätte nie erwartet, in dieser Einöde eine solche Lokalität zu finden. Der Gastraum war eingerichtet wie eine gemütliche Jagdhütte, allerdings ohne Trophäen an den Wänden, in einem Kamin knisterte ein Feuer, auf den Tischen standen echte Blumen, und eine Tür führte hinaus auf den breiten Bootssteg, wo weitere Tische und Stühle standen.
»Wow, das ist nett hier«, entschlüpfte es meinem Mund, kaum dass wir an unserem Tisch saßen.
»Warten Sie, bis Sie das Essen probiert haben. Das ist nämlich ausgezeichnet.« Er setzte ein wissendes Lächeln auf.
Ich ließ meinen Blick zur Küchentür schweifen, hinter der mehrere Köche und Küchenhilfen ihrer Arbeit nachgingen, um die hungrigen Mägen der zahlreichen Gäste zu füllen. Dabei blieb mein Blick an einem Mann hinter dem Tresen hängen, der einer Kellnerin gerade leise die Leviten las, weil sie ein Glas falsch auf das Tablett gestellt hatte. Mir klappte zum wiederholten Male in dieser Woche die Kinnlade runter. Es war Jasper! Der Sohn meiner Nachbarn.
Ich sah zu meinem Gegenüber, der meine Reaktion mit einem Stirnrunzeln beobachtet hatte.
»Ist er der Eigentümer des Restaurants?«
»Jasper? Ja, ist er. Wieso? Kennen Sie ihn?«
»Ja, nein, nur ein bisschen. Seine Mutter hat ihn mir am Sonntag vorgestellt.«
»Er hat sich damals heftig mit seiner Mutter zerstritten, weil er gegen ihren Willen das Restaurant weiterführt; es gehörte mal seinem Vater, aber der Mann und Emma-Louise kamen nicht klar miteinander. Das hat mir mein Vater erzählt, die Geschichte war ja vor meiner Zeit. Aber Jasper hat sich durchgesetzt, es war ein ganz schöner Kampf zwischen Mutter und Sohn. Aber inzwischen ist alles wieder gut zwischen ihnen.«
Er redete verdammt schnell, ich musste mich beeilen, wenn ich seinen Worten folgen wollte.
»Also, so zerstritten wirkten sie nicht, vielleicht nur ein bisschen«, erwiderte ich, aber was wusste ich schon. Von diesem Disput hatte mir meine Nachbarin gar nichts erzählt. Aber immerhin bekam ich jetzt von Carl Berger den Dorfklatsch serviert. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht von Doktor Diercksen anfing.
Ich wechselte schnell das Thema. »Dann sollten wir mal bestellen. Ich bin schon gespannt,
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