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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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wirkten ihre weißen Kutten wie die verlorenen Schatten der Toten. Moris sah, dass sich sein Mitbruder umdrehte, um in den Geheimgängen der Ordensburg vorauszugehen.
    »Ich war mir sicher, gehört zu haben, dass der Junge stehen geblieben ist, nachdem er außer Sichtweite war«, sagte Geral. »Wer hätte gedacht, dass der Junge den Schwachsinnigen nur spielt? Eine schlaue Art, um sich kundig zu machen. Fast wäre es ihm gelungen, etwas über uns herauszubekommen. Die dunklen Mächte werden hier immer gerissener.«
    Moris folgte ihm. »Glaubst du wirklich, er ist ein Werkzeug Gul’gothas?«
    »Natürlich. Aus welchem Grund sollte er sonst seine Rolle als Schwachkopf spielen?« Geral blickte zurück zu seinem hoch aufragenden Gefährten. »Ich frage mich jedoch, wie es mit der Loyalität des angeblichen Herrn des Jungen, Bruder Greschym, bestellt ist. Hat sich dieser hochgeachtete Bruder ebenfalls von der dunklen Magik verlocken lassen, und arbeiten er und der Junge zusammen, oder wurde der Junge ausgeschickt, um unseren geschätzten Bruder auszuspionieren, um hinter dessen Geheimnisse zu kommen? Das alles gibt mir sehr zu denken. Ich wehre mich gegen die Vorstellung, dass jemand, der nach einem unserer begnadetsten Seher benannt wurde, sein Herz Gul’gotha verschrieben hat.«
    »Hmm …« Moris dachte über die Worte seines Freundes nach. Er war sich bezüglich der Zugehörigkeit des Jungen zu Gul’gothas Schar keineswegs so sicher wie Geral. Er hatte den Gesichtsausdruck des Jungen gesehen, als er sie auf dem Treppenabsatz gesucht hatte. Der Junge hatte Angst. Es war nicht das Gesicht eines listigen Geschöpfs des Herrn der Dunklen Mächte gewesen, sondern das eines verängstigten Kindes. Doch diese Überlegungen behielt er für sich. Geral mochte es nicht, wenn seine Ansichten in Zweifel gezogen wurden, und sie beiden hatten ohnehin schon den ganzen Tag gestritten. Moris war die Wortgefechte mit seinem Mitbruder leid. Deshalb schwieg er in dieser unwichtigen Angelegenheit.
    »Wir müssen diesem Jungen möglichst aus dem Weg gehen«, sagte Geral.
    Moris gab ein nichts sagendes Grunzen von sich und betastete den Silberstern in seinem Ohr. Auch in dieser Hinsicht war er anderer Meinung. Der Junge verdiente mehr Beachtung. Moris konnte die Angst, die er in seinen Augen gesehen hatte, nicht so einfach vergessen.
    Geral sprach weiter; er ging zielstrebig voraus auf dem Weg zu ihren Geheimgemächern. »Unsere Glaubensgemeinde bewahrt ihre Geheimnisse seit langem, das war schon vor Alaseas Niedergang so. In dieser unsicheren Zeit müssen wir besonders vorsichtig sein. Durch ein unbedacht gesprochenes Wort kann leicht alles zunichte gemacht werden.«
    »Ich weiß, Bruder.«
    Moris folgte Gerals schmalem Rücken die spiralförmige Treppe hinunter, die unter das Erdgeschoss des verlassenen Turms führte. Die Stufen wanden sich immer tiefer unter die Burg. Ein paar flackernde Lampen erhellten ihren Weg. Bald bestanden die Wände des engen Treppenhauses nicht mehr aus gemauertem Stein, sondern nur noch aus schlichtem Fels. Schließlich endete die Treppe, und ein Labyrinth von Gängen breitete sich in alle Richtungen aus.
    Geral ging weiter, ohne innezuhalten. Die Korridore wurden allmählich breiter und höher, sodass Moris sich endlich zu voller Größe aufrichten konnte. Es roch nach Moder und Sole. Es war der Geruch von zu Hause.
    Sie bogen um eine scharfe Ecke, und ein Raum, weitläufiger als der Große Saal der Burg, tat sich vor ihnen auf. Selbst nach zwanzig Wintern bei der Glaubensgemeinschaft lief Moris bei diesem Anblick immer noch ein ehrfürchtiger Schauder über den Rücken.
    Die Wände aus behauenem Fels breiteten sich wie Flügel zu beiden Seiten aus. Eingebettet in den Stein waren tausende von Kristallen, einige von der Größe eines Vogelauges, andere so groß wie eine Og’er-Faust. Ihre Facetten spiegelten die Flammen der flackernden Fackeln und glitzerten wie eine unterirdische Sternenlandschaft.
    Beide Brüder berührten den Silberstern in ihrem Ohr und blieben an der Eingangsschwelle stehen. So eindrucksvoll die Wände auch waren, die wahre Großartigkeit des Raums lag in der uralten Wurzel, die von der hohen Decke des Saals zur Mitte des Bodens verlief. Der knorrige Wurzelstrang, so breit wie Moris’ Schultern, war die Pfahlwurzel des uralten Koa’kona-Baums, das eigentliche Herz A’loatals. Hier waren die letzten Reste seiner chirischen Energie gespeichert.
    Ringsum in dem Saal standen oder

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