Alasea 02 - Das Buch des Sturms
überhaupt hoffen kann zu überleben, dann nur mithilfe der Heiler in A’loatal.«
Saag-wan runzelte bei der Erwähnung dieses Namens zweifelnd die Stirn. Sie hatte alte Geschichten über einen Ort dieses Namens gehört, faszinierende Märchen voller durch Magik bewirkter Wunder und Geschöpfen aus allen möglichen Ländern. Aber bestimmt war das nur eine Fantasiestadt.
Kast, immer noch am Ruder, ergriff nun das Wort, und seine Stimme klang verbittert. »A’loatal ist ein Mythos, Flint. Wieso bildest du dir ein, du könntest einen Ort finden, den unzählige Seefahrer schon seit Jahrhunderten suchen, ohne ihn zu entdecken?«
Flint nickte in Saag-wans Richtung. »Das Meer birgt viele Geheimnisse, stimmt’s nicht, Kast? Wie lange ist es her, dass ein De’rendi eine Mer’ai zu Gesicht bekommen hat?«
Kast senkte den Blick. »Das ist viele Jahrhunderte her … vor der Ankunft der Gul’gotha-Horden an unseren Küsten.«
»Und doch, siehst du sie nicht hier leibhaftig vor dir?«
Kast sah zuerst Saag-wan und dann wieder den Alten an. Sein Blick war hart. »Aber A’loatal wurde nie gefunden. Wieso glaubst du, dass ausgerechnet du es entdecken wirst?«
»Ganz einfach«, erwiderte Flint und zuckte dabei mit den Schultern. »Es ist meine Heimat.«
Kast hob erstaunt die Augenbrauen, dann runzelte er die düster umwölkte Stirn. »Du bist bescheuert, Flint. Deine Heimat ist Port Raul. Ich war doch schon mal in deinem Haus auf der Blasenbeer-Klippe.«
»Ach, das ist nur ein Ort, wo ich meine Knochen trockne, wenn ich nicht auf dem Meer bin.«
Saag-wan räusperte sich. Dieses ganze Gerede interessierte sie nicht. Sie hatte nur eine einzige Sorge. »Können eure Heiler Conch retten?«
»Wenn es uns gelingt, ihn lebend hinzubringen, schaffen sie es, glaube ich.«
Saag-wan entzog ihre Hand Conch. Ihre Handfläche war bedeckt von schwarzem Blut, das aus seiner verwundeten Brust spritzte. Sie zeigte dem Alten die blutige Hand. »Er wird nicht mehr lange leben.«
Flint legte die Stirn in kummervolle Falten. Die echte Sorge, die aus dem Gesicht des Alten sprach, rührte Saag-wan. Zweifellos war auch er wirklich um Conch bemüht. »Ich habe nicht gedacht, dass seine Wunden so tief sind«, murmelte er, offensichtlich erschüttert.
Sein Mitgefühl trug dazu bei, sie umzustimmen. »Bitte«, sagte sie mit Tränen in den Augen, »wenn du helfen kannst, ihn zu retten …«
Er legte ihr eine warme Hand aufs Knie. »Ich tue, was ich kann.« Er drehte sich zu Kast um. »Wir müssen die leewärtige Seite der nächsten Insel ansteuern. Weißt du, wo du abdrehen musst?«
Kast nickte. »Ich kenne die Stelle.«
»Da müssen wir hin.« Flint warf einen Blick zu Conch. »Und zwar mit der höchsten Geschwindigkeit, die du dem Wind entlocken kannst.«
Saag-wan schmiegte sich in ihre Decken, ein Gebet auf den Lippen. »Schnell!« flüsterte sie.
Anscheinend hatte Kast sie gehört. Er sah sie an. »Ich bringe deinen Drachen lebend in den Hafen«, sagte er selbstsicher. »Das Meer und der Wind sind das Herz eines Blutreiters.«
Sie erwiderte seinen entschlossenen Blick und schwieg für eine Weile.
Schließlich schwenkte Flint die Hand zwischen den beiden und durchbrach ihren Blickkontakt. Nachdem Saag-wan sich seitlich abgewandt hatte, senkte der Alte, anscheinend zufrieden, die Hand und nickte Kast zu. »Pass gut auf, dass du deine Tätowierung bedeckt hältst.«
»Warum?« fragte Kast mürrisch.
Der Alte wandte Kast den Rücken zu und blickte aufs Meer hinaus. »Alte Magik, alte Eide«, murmelte er, dann tat er die Frage mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. »Jetzt konzentrier dich auf Segel und Ruder.«
Doch Kast hatte noch eine Frage. »Wenn du wirklich aus A’loatal stammst«, sagte er und wechselte damit das Thema der Unterhaltung, während er an dem Ruder arbeitete, »warum hast du dich dann als Erster Maat auf der Skipperjan verdingt?«
Flint wandte sich dem anderen immer noch nicht zu. »Um dich im Auge zu behalten, Kast«, antwortete er schulterzuckend; dann berührte er seinen silbernen Ohrring. »Dein Volk trägt das Schicksal von A’loatal in den Bäuchen seiner Kriegsschiffe.«
Joach war schon recht spät dran, um Greschyms Abendmahlzeit zu holen, deshalb rannte er durch den verlassenen Korridor; seine Schritte wühlten den Staub am Boden in kleinen Wolken auf. Seit ewiger Zeit war niemand mehr in diesem Gang gewesen. Er hielt die Karte in seiner Hand mit festem Griff. Hatte er eine Abzweigung übersehen?
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