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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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benannt während der ersten der Gul’gotha-Schlachten vor fünfhundert Jahren, als eintausend Männer ihr Leben hingegeben hatten, um die Prärie zu verteidigen. Die blutbefleckten Zinnen, angestrahlt von Hunderten von Belagerungsfeuern der feindlichen Zwergenarmeen, hatten einen ganzen Monat lang rot geleuchtet. Erst mit dem Tod des letzten Verteidigers war der Turm schließlich an die Zwerge gefallen.
    Den Zwillingen jedoch war diese schlimme Geschichte nicht unbekannt.
    Das war ihr wahres Erbe.
    Mykoff und Riemer schlichen lautlos aus ihrem Gemach im Westflügel der Festung zu den immer schmaler werden Gängen, die zum Signalturm führten. Je weiter sie voranschritten, desto niedriger wurde die Decke, und die Wände zu beiden Seiten näherten sich einander immer mehr, bis die beiden gezwungen waren, hintereinander zu gehen. Schließlich, als die Decke schon beinahe ihr weißes Haar streifte, gelangten sie zu einer Tür aus gehämmertem Messing, vom Grünspan verfärbt. Mykoff schüttelte einen silbernen Schlüssel aus dem Ärmel und öffnete den Weg in den Rash’amon.
    Als er die Tür weit aufstieß, strömte ein Luftschwall von unten herauf. Mykoff atmete den süßlichen Geruch ein. Es roch nach Moder, feuchter Erde und einer Spur von etwas Schwererem, einem moschusartigen Duft, der einen Schauder der Erregung durch ihn hindurchjagte. Riemer blieb ebenfalls an der Schwelle stehen, die Augenlider leicht gesenkt, und auch er schwelgte in der dunklen Erinnerung an das, was dort unten lag.
    »Komm, Bruder«, sagte Riemer mit belegter Stimme und ging nach unten voraus. »Es dämmert bereits.«
    Mykoff bemerkte, dass die Hand seines Bruders leicht zitterte, als er nach den moderigen Steinen griff, um sich beim Abstieg über die steilen, schmalen Stufen festzuhalten. Auch Mykoff fühlte das Wallen der Vorfreude in den Gliedern. Er musste sich beherrschen, um seinen Bruder nicht schneller voranzudrängen.
    Doch Riemer spürte die zunehmende Ungeduld seines Bruders wie eine Gewitterwolke über seiner Schulter. Er beschleunigte seine Schritte.
    Hinter Riemers Rücken erlaubte sich Mykoff ein Lächeln. Die beiden Brüder kannten einander so gut! Je weiter sie die eng gewundene Treppe hinunterstiegen, desto dunkler wurde der Weg. Keine Magd und kein Diener sorgte dafür, dass die Fackeln entlang der Windungen dieses Treppenhauses stets brannten. Nur Mykoff und Riemer hatten Schlüssel zu der Messingtür, die zu den Kellern des Rash’amon führte.
    Doch tief unten auf der Treppe, weit vor ihnen, war ein schwacher Lichtschein, der immer heller wurde.
    Jetzt bedurfte es keines Drängens mehr; die beiden Brüder stürmten von sich aus die Stufen hinunter, ohne darauf zu achten, dass sie in ihren Pantoffeln auf dem feuchten Stein leicht ausrutschen konnten. Das rötlich brennende Licht rief sie.
    Die beiden kamen an weiteren Türen vorbei, doch deren Öffnungen war schon vor langer Zeit zugemauert worden, und sie schenkten ihnen keine Beachtung. Sie stiegen immer tiefer hinab. Mykoffs Aufmerksamkeit war einzig und allein auf den Lichtschimmer gerichtet. Er leckte sich die Lippen. Hunger wuchs in seinem Bauch wie eine Flamme.
    Als die beiden Brüder die letzte Stufe erreichten, keuchten sie durch zusammengepresste Zähne. Auf dieser untersten Ebene der Blutigen Spitze bedeckte eine dünne Schicht schwarzen Wassers den Steinboden, ölig glänzend von Moder und schimmernd im schwachen Licht des Kellerraums vor ihnen.
    Ihre Füße platschten durchs Wasser, das ihre teuren Seidenpantoffeln durchnässte, als Mykoff und Riemer in den am tiefsten gelegenen Raum des Rash’amon mit seinem dunklen Geheimnis eilten.
    Hier bestand der Boden nicht mehr aus Stein; wie alle guten Keller hatte dieser hier einen Lehmboden - beziehungsweise, um genauer zu sein, einen Schlammboden. Im Laufe der vielen hundert Winter hatte sich der Turm auf den Grundwasserspiegel von Schattenbach abgesenkt, und jetzt überflutete der Fluss den Lehmboden.
    Riemer erreichte den Raum als Erster und sank sofort bis zu den Fußknöcheln in das von Flusswasser getränkte Erdreich. Er musste jeden Fuß einzeln herausziehen, um weiterzugehen. Der Schlamm erzeugte bei jedem Schritt scharfe Schmatzlaute, während Riemer seinem Ziel zustrebte. Er hatte bereits beide Pantoffeln verloren, da sie im gefräßigen Morast stecken geblieben waren, aber er verschwendete keinen Gedanken daran. Sie konnten leicht ersetzt werden. Er hörte, wie Mykoff ihm mühsam folgte.
    Beider Augen

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