Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
Vom Netzwerk:
Ponyfransen hervor musterte. Mykoff verzog keine Miene.
    »Du bist in selten guter Form, Bruder«, gestand Riemer seinem Spielgegner schließlich zu. Er strich sich mit einem polierten Fingernagel eine verirrte Haarsträhne aus den geröteten Augen.
    »Noch ein Spiel?«
    »Der Abend ist nicht mehr fern, und die Meute wird bald zur Jagd aufbrechen. Vielleicht wäre es besser, wenn wir bis morgen früh warten würden.«
    Mykoff stimmte seinem Bruders zu, indem er leicht den Kopf neigte.
    »Hör auf, dich mir gegenüber so gönnerhaft zu benehmen«, schimpfte Riemer; selbst seine Wangen zeigten eine leichte Rottönung.
    Mykoff war nicht bewusst gewesen, wie sehr das verlorene Spiel seinen Bruder niedergeschmettert hatte. »Ich wollte nur die Richtigkeit deiner Einschätzung voll und ganz bestätigen.
    Der Abend ist tatsächlich nicht mehr fern, und die Meute gelüstet es immer mehr nach Blut.«
    Riemer hörte die ehrliche Zustimmung in den Worten seines Bruders, was seine Gemütsverfassung ein wenig besserte. Die Röte wich aus seinen Wangen. »Dann sollten wir uns in den Keller zurückziehen.« Er stand auf und hielt den Blick mit Bedacht von dem Spielbrett abgewandt. Er wollte nicht an seine Niederlage erinnert werden.
    Dieses Verhalten entging Mykoff nicht. Er erhob sich und folgte Riemer zur Tür. An der Schwelle strich sein Handrücken über den Ärmel seines Bruders. Diese Geste der Zuneigung blieb nicht ungewürdigt.
    »Danke«, sagte Riemer, wobei sich seine Lippen kaum bewegten. »Ich glaube, das heutige aufreibende Spiel hat unser beider Blut überhitzt.«
    »Gewiss war es ein überaus wildes Kräftemessen.«
    Sie entfernten sich gemeinsam, zwei Elfenbeinstatuen in teurer Gewandung. Ihre Füße, die mit Pantoffeln angetan waren, raschelten leise durch die Binsen, die auf dem Steinboden der Burg ausgelegt waren. Diener traten beiseite und senkten den Blick, als die beiden Herren der Festung an ihnen vorbeikamen. Nur wenige Leute außer den Dienern bekamen die blassen Brüder jemals zu Gesicht, und die Sonne niemals. Mykoff und Riemer entgingen die geflüsterten Gerüchte um sie herum nicht, aber niemand stellte das Erbe der Zwillinge und ihr Anrecht auf die Burg infrage.
    Ihre Eltern, die schon vor langer Zeit verschieden waren, waren bei den Leuten von Schattenbach sehr beliebt gewesen. Es war die Familie Kura’dom gewesen, die die Stadt einst gegründet hatte, und der Vater der Zwillinge hatte erst in jüngster Zeit durch kluge Verträge und Geschäftsvereinbarungen zum wirtschaftlichen Gedeih Schattenbachs beigetragen und dafür gesorgt, dass Reichtum in die Stadt strömte. Die gesamte Stadt hatte an diesem neuen Wohlstand teilgehabt, und in der Erinnerung an ihre hoch angesehenen Eltern und das alte Geschlecht schüttelten die meisten Leute nur den Kopf über die Exzentrik der beiden Brüder.
    Deshalb fiel auch von niemandem ein Wort, als Mykoff und Riemer tiefer in die selten besuchten Teile der Kura’domschen Burg wanderten. Es war ihr gutes Recht. Es war ihr Zuhause.
    Die Festung, die in Schattenbach auch häufig einfach nur als ›das Verlies‹ bezeichnet wurde, war älter als die Stadt um sie herum. Anfangs war es nur ein einzelner Signalturm gewesen, einer von vielen, die früher überall verstreut in der gesamten Standi-Prärie gestanden hatten. Die meisten davon waren inzwischen zu Ruinen verfallen, aber dieser eine, nahe des Flussufers strategisch und wirtschaftlich günstig gelegen, war die Saat, der die Stadt entsprossen war. Und während sich die Stadt wie die Wurzeln eines Baumes ausgebreitet hatte, war auch der Turm immer weiter gewachsen: ein Flügel da, ein weiteres Stockwerk dort, und es wurden vier niedrige Türme dazugebaut, die den alten Signalturm umringten. Und in jüngster Zeit waren Wehrmauern, Zinnen und sogar ein schmaler Burggraben hinzugefügt worden, obwohl diese letzten Baumaßnahmen eher dekorativ als nützlich waren. An den Burggraben schloss sich ein Park an, und stattliche schwarze und weiße Schwäne schwammen in trägen Kreisen auf dem Wasser um die Festung herum.
    In ihrem Stolz auf den Burggarten und die erhabenen Zinnen hatten die meisten Stadtbewohner den Ursprung ihrer Stadt ganz vergessen. Der alte Signalturm war weit hinter der schmucken Fassade verborgen, ein bröckelndes Bauwerk aus groben, schlecht zusammengesetzten Steinen, das das Herz der Festung war. Nur wenige Menschen erinnerten sich noch an seinen ursprünglichen Namen: Rash’amon, Blutige Spitze, so

Weitere Kostenlose Bücher