Alasea 02 - Das Buch des Sturms
persönliche Meinung zu Er’rils Wahl der Unterkunft. »Ja«, sagte sie mit einem Blick auf die drei mit Bier bekleckerten Tische, an denen ein paar Werftarbeiter mit stumpfsinnigen Gesichtern saßen, »ich glaube, es ist höchste Zeit, dass ihr mit einer Frau reist.«
Zwei der grobschlächtigen Männer blickten in Mikelas Richtung, und ihre Augen weiteten sich beim hübschen Anblick der großen blonden Schwertkämpferin. Als sich ein lüsternes Grinsen in ihre Gesichter schlich, brachte Mikela sie mit einem eindringlichen Blick ihrer wie Stahl blitzenden Augen zur Vernunft. Die Werftarbeiter fanden plötzlich ihre Bierkrüge überaus faszinierend und wandten sich diesen zu.
»Wo sind eure Zimmer?« wollte Mikela wissen.
Er’ril ging voraus, wobei er nur kurz stehen blieb, um ein kaltes Abendessen in Auftrag zu geben. »Am oberen Treppenabsatz«, erwiderte er. Die schiefen Stufen knarrten unter seinem Gewicht. »Ich habe zwei Zimmer gemietet.«
»Wie großzügig von dir«, sagte Mikela ironisch, während sie ihm mit Elena folgte.
Bald waren alle sechs in dem größeren der beiden Räume versammelt. Mikelas finstere Miene wurde noch finsterer, als sie den Raum erforschte, doch sie hielt ihre scharfe Zunge im Zaum. Die beiden Betten in dem Zimmer waren holzgezimmerte Liegen ohne die geringste Auflage, um dem Körper auch nur ein bisschen Behaglichkeit zu bieten. Das einzige Fenster ging auf den Innenhof der Wirtschaft hinaus und ließ - obwohl es geöffnet war - nur die Sommerhitze herein, statt für ein wenig kühle Luft zu sorgen. Zu der stickigen Atmosphäre ihres Quartiers trug auch noch die niedrige Decke bei, die auf sie alle herabzudrücken schien. Kral musste den Kopf einziehen, um nicht gegen die Deckenbalken zu stoßen.
»Jeder soll sich einen Platz suchen«, sagte Er’ril. »Ich glaube, wir haben heute Abend noch viel zu besprechen.«
Mogwied und Merik belegten ein Bett mit Beschlag, während Kral und Elena sich auf das andere setzten. Nur Mikela und Er’ril standen noch. Die beiden beäugten einander wie zwei Wölfe, die im Begriff waren, um die Führung im Rudel zu kämpfen.
Mikela sprach als Erste. »Nachdem ich Elans Hand begutachtet habe, glaube ich nicht, dass die Verhexung eine unmittelbare Gefahr darstellt, aber es gibt noch viele andere Bedrohungen in den Straßen dieser Stadt. Schattenbach ist insgesamt eine Gefahr für sie.«
»Ich kann Elena allein beschützen«, entgegnete Er’ril. »Ich habe sie bis hierher gebracht, ich werde sie auch nach A’loatal bringen. Warum sollten wir dir vertrauen?«
Kral setzte zu einer Antwort auf diese Frage an. »Sie ist Tol’chuks …«
Doch Mikela brachte ihn mit einem eindringlichen Blick zum Schweigen. »Wenn du nichts dagegen hast, spreche ich für mich selbst.«
Und das tat sie.
Er’ril hörte ungeduldig zu, während die Schwertkämpferin von ihrer Reise aus den Westlichen Marken und von ihrer Zeit bei den Og’er-Stämmen erzählte. Sie blickte Er’ril direkt in die Augen, während sie redete, ohne irgendwelche Entschuldigungen für ihr Handeln vorzubringen. Selbst Er’ril spürte, dass sie die Wahrheit sprach. »Nach Tol’chuks Geburt wurde ich verbannt und von Elenas Tante aufgenommen. Fila eröffnete mir, wer ich wirklich war, und klärte mich über die besondere Gabe auf, mit der ich gesegnet bin. Sie erklärte mir, warum ich so anders war als die anderen Si’lura, die mit ihrer Waldheimat ganz zufrieden waren, und wieso meine Gabe mich dazu getrieben hatte, die Westlichen Marken zu verlassen und zu neuen Horizonten aufzubrechen.«
»Und was für eine Gabe war das?« fragte Er’ril.
Sie deutete mit einem Kopfnicken zu den Betten. »Genau wie Kral und Merik wurde auch ich mit Magik im Blut geboren. Kral ist bewandert in Steinmagik, und Merik beherrscht Wind und Luft.«
Sowohl Kral als auch Merik sahen sie voller Unbehagen an. »Woher weißt du über sie Bescheid?« fragte Er’ril besorgt.
»Das ist meine Gabe. Ich bin Sucherin.«
»Sucherin?«
»Eine Elementarjägerin. In jeder Generation gibt es einige wenige, die mit einem besonderen Gespür für Elementarmagik geboren werden, die also Elementarmagik in anderen erkennen. Ich bin eine von ihnen. Die Magik in anderen spricht mich an wie ein lautloses Lied. Sie zieht mich an wie ein Magnetstein. Das ist meine elementare Gabe.«
»Und Tante Fila hat diese Eigenschaft an dir entdeckt?« fragte Elena.
»Sie war eine kluge und begabte Frau.« Mikela neigte den Kopf, da sie
Weitere Kostenlose Bücher