Alasea 02 - Das Buch des Sturms
nicht über mich! Ich habe meine Entscheidungen getroffen - und ich stehe dazu. Ich habe Dinge getan, die mein Herz verletzt haben. Ich habe meinen Og’er-Geliebten und meinen Sohn verlassen. Ich habe mein Si’lura-Erbe verleugnet und bin für immer in menschlicher Gestalt gefangen. Ich habe Kindern Gift verabreicht und gleichzeitig den Dank ihrer Mütter entgegengenommen. Aber ich will mich für mein Tun nicht entschuldigen.« Sie sah Er’ril stirnrunzelnd an. »Dies ist die Endphase des Krieges. Wenn der Fluch jemals von unserem Land genommen werden soll, dann müssen wir alle bluten.«
Schließlich, während ihre Brust sich vor Erregung heftig hob und senkte, schloss sie die Augen und fuhr leise fort: »Dieser stille Krieg zwischen mir und dem Sucher des Herrn der Dunklen Mächte tobt schon seit einer Zeit, in der Elena noch gar nicht geboren war. Ohne meine Bemühungen stünde eine Mauer des Bösen zwischen euch und A’loatal. Mein Gift und meine Lügen haben einen blutigen Pfad gebahnt, damit die Hexe ihn beschreiten kann.« Sie öffnete die Augen und sah Er’ril mit einer Eindringlichkeit an, die ihm das Mark in den Knochen gefrieren ließ. »Bist du jetzt zu furchtsam, um auf meinem Pfad zu wandeln?«
Er’ril schluckte, unfähig zu antworten. Er wusste nicht, was ihn mehr ängstigte, das Böse oder diese Frau mit einem Herzen aus Eis.
Kral sprach als Erster. »Wir alle hatten schwere Entscheidungen zu treffen.«
»Ja«, sagte Elena kleinlaut, »aber uns wurde die Möglichkeit gegeben zu entscheiden. Diesen betrogenen Unschuldslämmern hingegen, diesen Elementargeistern, die das Gift erhielten, wurde die Entscheidungsfreiheit genommen. Sie beendeten ihr Leben eigenhändig, ohne es überhaupt zu wissen.«
»Aber was ist gnädiger«, fragte Mogwied, »es zu wissen oder es nicht zu wissen?«
Niemand wusste eine Antwort.
Mikela unterbrach das Schweigen. »Vielleicht werdet ihr bald erkennen, dass ich richtig gehandelt habe. Hier in Schattenbach habe ich zwei der verderbten Elementargeister ausfindig gemacht, zwei Bösewächter, die in dieser Stadt ihr Unwesen treiben. Während ihr hier noch über meine Moral diskutiert, rösten sie schon eure Herzen auf ihren Bratspießen über dem Dunkelfeuer.«
Ihre Worte schreckten die Gefährten auf und weckten die Ängste, die seit dem Kampf gegen Vira’ni in ihnen allen geschlummert hatten.
»Was sollen wir tun?« fragte Kral.
»Wir werden tun, was wir tun müssen, um zu überleben«, erwiderte Mikela verbittert. Sie steckte ihr Giftfläschchen wieder ein. »Danach handele ich schon mein ganzes Leben lang.«
»Erhebt euch!« intonierte der Zwergenherrscher, und seine Stimme war ein heiseres Kratzen in Mykoffs und Riemers Ohren.
Die Zwillinge hoben die verschmierten Gesichter aus dem Schlamm. Mykoff schmeckte den Flussschlick auf den Lippen. Für ihn war das süßester Nektar, und er wusste, dass es in dieser Nacht noch köstlichere Dinge geben würde. Riemer kniete neben ihm, und in seinen Augen spiegelte sich ebenfalls lustvolle Verzückung.
Die schwebende Kugel aus Schwarzstein verlangsamte ihre Drehung und ruhte schließlich in den blassen Händen des Zwergs. Zungen roten Blutfeuers leckten immer noch über seine schwarze, glänzende Oberfläche, und silberne Adern durchzogen den Stein wie Blitze.
»Seid ihr bereit, das Sakrament zu empfangen?« fragte der Zwerg und musterte sie. Sein Blick glitt über sie wie ein blinder Flussaal. Er schätzte ihren Wert ein.
»Ja, o Herr, Meister Torring«, rezitierten beide im Gleichklang. »Unsere Körper schenken wir dir.«
Der Zwerg erhob sich auf knorrigen Beinen. »Dann kommt und nehmt die Belohnung eures Herrn in Empfang.« Er hielt ihnen die Kugel entgegen.
Auf Händen und Knien durch den Schlamm kriechend, näherten sie sich dem Schwarzstein.
»Kommt!« drängte Torring mit rauer, kratziger Stimme. »Gebt euer Fleisch hin für die Hitze der Jagd. Der Große Gul’gotha braucht euch heute Nacht. Andere Elementargeister sind in Schattenbach eingedrungen. Sie müssen gefunden und in den Rash’amon gebracht werden, um das Sakrament zu empfangen.«
Riemer verspürte bei den Worten des Zwergs einen Stich der Eifersucht. Er wollte die geheimen Riten tief unter der Festung mit niemand anderem teilen als mit seinem Bruder. Doch seine Augen waren erfüllt von Blutfeuer und Schwarzstein. Er konnte nicht anders, als zu gehorchen.
Die Meute lechzte nach der Jagd. Die Jagd bedeutete Blut.
Beide Brüder hoben
Weitere Kostenlose Bücher