Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Aufmerksamkeit auf sich, »wie sollen wir uns dann jemals wieder treffen?«
»Darüber habe ich nachgedacht«, sagte Er’ril. »Wenn wir …«
»Wir müssen getrennte Wege beschreiten«, tat Mikela die Sache als erledigt ab. »Alles andere ist zu riskant. Wenn wir uns zufällig wieder treffen, dann treffen wir uns. Wenn nicht …« Mikela zuckte mit den Schultern.
Elena sah Kral, Tol’chuk und Mogwied an. Tränen erstickten ihre Stimme. »Aber …?«
Er’ril legte Elena die Hand auf den Arm. »Lass mich zuerst zu Ende sprechen.« Er warf Mikela einen Blick zu, dann holte er eine zusammengefaltete Karte aus seiner Tasche und kniete auf dem Anlegesteg aus Eisenholz nieder. Er breitete die Karte aus und heftete sie mit einem seiner Wurfmesser am Holz fest. Die Brise zerrte an den Ecken des Pergaments. »Stellt euch um mich herum.«
»Pass auf, was du sagst, Präriemann«, warnte Mikela ihn und trat näher an ihn heran.
Er’ril sah sie unwillig an. Er benutzte ein zweites Messer, um mit einer unbestimmten Bewegung auf die Karte zu deuten. »Ich habe einen Freund, der an einem einsamen Küstenstreifen lebt; wo genau, werde ich nicht verraten. Ich habe die Absicht, Elena dorthin zu bringen. Wir werden uns eine Rast gönnen und dann ein Schiff mieten, um zum Archipel zu reisen.« Er blickte zu den dreien auf, die zurückbleiben würden, um Merik zu suchen. Mit dem Messer deutete er auf eine kleine Stadt an der Küste, deren Name in winzigen Buchstaben hingekritzelt war.
Elena beugte sich näher zur Karte, um den Namen zu lesen: Port Raul.
»Schaffen wir es, uns in Sicherheit zu bringen«, fuhr Er’ril fort, »dann wird das unser Treffpunkt sein. In genau einem Monat werde ich Mikela ausschicken, um euch in Port Raul zu suchen.«
»Ich kenne den Ort«, entgegnete Kral stirnrunzelnd. »Er wird auch Sumpfstadt genannt. Kein günstiger Ort für eine Verabredung.«
»Ich war auch schon mal dort«, brummte Mikela. Ein missmutiges Funkeln trat in ihre Augen, zur Bestätigung der Worte des Gebirglers.
Elena betrachtete die Karte. Jetzt wurde ihr klar, wie sich der Ort den Spitznamen erworben hatte. Die Stadt lag mitten im Ertrunkenen Land, einem keilförmigen Küstenstreifen, der tiefer lag als die Landschaft ringsum. Überflutet von Flüssen, die aus höher gelegenen Gebieten in das Tiefland flossen, war die Gegend trostlos und unwirtlich, geprägt von Morast, Moor und Sumpf, im Osten begrenzt von brackigen Küstenmarschen und von den höher gelegenen Gebieten Alaseas abgeschnitten durch einen Ring hoch aufragender Klippen mit Namen Landbruch. Nach allem, was sie gehört hatte, reisten nur Wahnsinnige freiwillig in dieses gefährliche, schlangenverseuchte Gebiet.
Die einzige Stadt, die sich in dieser Landschaft behauptete, war Port Raul. Selbst Elena hatte Geschichten über Sumpfstadt gehört. Wegen seiner natürlichen abgeschiedenen Lage und seines Zugangs zu dem Labyrinth der Inseln des Archipels war es zur Anlaufstelle für Diebe, Halsabschneider und andere zwielichtige Gestalten geworden, die unbedingt untertauchen wollten. Es war weniger eine Stadt als vielmehr eine schäbige Sammelstätte für Piraten und andere hartgesottene Kerle. Grausige Geschichten von den Krieg führenden Kasten, die die Stadt beherrschten, und von fragwürdigen Weisen des Gelderwerbs dort hatten Elena und ihrem Bruder an so manchem kalten Winterabend Spannung und Aufregung beschert.
»Warum sollen wir uns ausgerechnet dort treffen?« fragte Kral missmutig. Er wiegte seine verbundene Hand.
»Weil in Port Raul niemand Fragen stellt«, antwortete Er’ril. »Wer neugierig ist, überlebt nicht in Sumpfstadt.«
So lautete eine alte Redeweise. Mit diesen Worten endeten viele tragische Geschichten über die Stadt.
»Und wo sollen wir uns dort treffen?« wollte Tol’chuk wissen. »Kennst du ein bestimmtes Gasthaus?«
»Keines, das ich zu empfehlen wagen würde«, erwiderte Er’ril. »Sucht euch einfach eines aus und wartet. Mikela mit ihrer Gabe als Sucherin wird euch finden.« Er blickte zu der Frau auf, um eine Bestätigung seiner Bemerkung zu erhalten.
Mikela nickte. »Ich werde auch wissen, ob einer von euch hier in Schattenbach von der Verderbnis heimgesucht wurde. Der Gestank von schwarzer Magik ist an jemandem, der umgepolt worden ist, leicht zu erschnuppern.«
Elena richtete sich aus ihrer gebückten Haltung über der Karte auf. »Dann bist du also einverstanden, Tante Mi?«
»Wenn es sein muss. Er’rils Plan hört sich
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