Alasea 02 - Das Buch des Sturms
die vollen Reisekosten im Voraus bezahlen, um diesen Anschein zu untermauern?«
Mikela sah ihn stirnrunzelnd an. »Und ihn für eine Reise bezahlen, die wir gar nicht machen?« Sie schnaubte. »Ich habe überhaupt nicht die Absicht, Elena jemals nach Landende zu bringen.«
»Aber was …?« Er’rils Stimme hatte genügend Schärfe, um die Aufmerksamkeit eines in der Nähe stehenden Hilfsmatrosen zu wecken.
»Hüte deine Zunge, Präriemann!« zischte Mikela ihn warnend an.
Er’ril biss sich auf die Lippe, um sich von einem weiteren Ausbruch abzuhalten.
Sobald der Matrose sich entfernt hatte und ihre Ecke des Schiffes leer war, fuhr Mikela fort. Klugerweise sprach sie immer noch leise. »In zwei Tagen werden wir diesen Kahn verlassen und nach Süden zum Landbruch weiterreisen.«
»Zum Landbruch? Aber wenn wir den Klippen bis zur Küste folgen, brauchen wir beinahe einen ganzen Monat.«
»Wir werden den Klippen nicht folgen. Wir werden an ihnen hinabsteigen.«
Er’ril ballte die Hand zur Faust. Diese Frau musste verrückt sein! »Du hast die Absicht, Elena ins Ertrunkene Land zu bringen? Es gibt kein Leben in diesen heimtückischen Sümpfen außer giftigen Scheusalen. Nicht einmal Fallensteller oder Jäger wagen sich tiefer dort hinein.«
»Du irrst dich«, entgegnete Mikela. »In den tiefen Sümpfen lebt jemand: eine sehr mächtige Elementarmagikerin. Ich habe sie früher einmal gespürt, als ich mich am Landbruch entlang gewagt habe. Mithilfe eines Sumpfführers habe ich damals versucht, zu ihr zu gelangen, aber sie ist schlau und die Gegend verwirrend. Nach sieben Tagen und mit einem Führer, der wegen eines Schlangenbisses dem Tode nahe war, sah ich mich gezwungen, dem Sumpf zu entfliehen. Ich dachte mir, wenn ich sie nicht erreichen konnte, dann können es die Sucher des Herrn der Dunklen Mächte auch nicht. Also gab ich das Unterfangen auf in der Annahme, dass sich für mich niemals die Notwendigkeit ergeben würde, sie erneut zu suchen.«
Mikela hielt inne, da ein paar Hilfsmatrosen in ihre Nähe kamen, um Seile hochzuziehen und aufzuwickeln.
Während sie warteten, überdachte Er’ril ihre Worte. Er war nicht dumm. Er wusste, was in Mikelas Kopf vorging. Als ihre Ecke an der Reling wieder leer war, ergriff er das Wort. »Diese Elementarmagikerin, die sich im Sumpf versteckt - du glaubst, sie ist diejenige, die Elena verhext hat, nicht wahr?«
Mikela nickte. »Und die Einzige, die den Bann aufheben und Elena von dem Grün befreien kann.« Sie zupfte an dem losen Ärmel, der die Wucherung von Moosranken an Elenas linkem Arm versteckte. »Das ist ihre Botschaft an uns. Wir sollen Elena zu ihr bringen, sonst tötet sie die Kleine.«
»Dann bleibt uns also keine Wahl?« fragte Er’ril.
Mikela schwieg.
Elena antwortete jedoch, mit verdrossener, schicksalsergebener Stimme. »Ich hasse Schlangen.«
Aus dem Schatten der Hafenanlage beobachtete Mogwied, wie der Kahn mit seinem Bruder und der Hexe auslief. Ruder hoben und senkten sich, während das Schiff in die tiefere Fahrrinne des Flusses glitt. Er bemerkte den Namen, der am Heck des Schiffs in geschnitzten und bemalten Buchstaben angebracht war: Schattenjäger.
Zufrieden, dass es keine Kehrtwende in letzter Minute geben würde, huschte Mogwied hinter die Ecke einer Schmiedewerkstatt. Das Hämmern hallte in seinem Kopf nach, während er zu ihrem Gasthaus zurückspazierte. Im Gehen rieb er sich die Schläfen und versuchte, die Saat eines Kopfschmerzes zu vertreiben, die zu keimen drohte. Dennoch gestattete er sich ein kleines Lächeln, als er am Marktplatz ankam.
Er’ril kam sich so schlau vor mit all seinen Geheimmanövern, doch Mogwied hatte keine Mühe gehabt, sowohl den Namen des Schiffes als auch ihr Ziel herauszufinden. Fast alle Hafenarbeiter kannten die arrogante Frau mit ihrem einarmigen Gatten. Die Großzügigkeit, mit der sie Silberlinge verteilte, hatte die Aufmerksamkeit vieler Ohren und Augen geweckt. Ein paar geflüsterte Fragen und einige Kupferstücke hatten Mogwied alle Kenntnisse erbracht, die er brauchte. In den Gassen von Schattenbach waren Tratsch und Klatsch ebenso wohlfeil wie Ballen Tabakblätter oder Flaschen mit Kräuterölen. Wissen war eine lebenswichtige Handelsware, und Mogwied besaß jetzt das wertvollste Stückchen Information in ganz Schattenbach.
Er wusste, wohin die Hexe unterwegs war: nach Landende.
Mit diesem Wissen und dem Beutel mit abgeschnittenen Haaren würde sich Mogwied die Gunst des Königs dieses
Weitere Kostenlose Bücher