Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Wahl. Er musste überleben.
Brant näherte sich erneut mit der Klinge.
Joach richtete sich aus seiner gebückten Haltung auf und schlug Brant die Faust ins Gesicht. Knochen krachten unter seinen Fingerknöcheln.
Brant schrie laut auf, ließ das Messer fallen und hielt sich die Hände an die blutige Nase. Snell, der sich bereits eiligst zwei Stufen entfernt hatte, verharrte in halb kauernder Stellung und wartete ab, ob er besser weglaufen oder angreifen sollte.
Joach hob das Messer auf und sprach mit klarer Stimme: »Brant, wenn du mich jemals wieder berührst, dann schneide ich dir die Männlichkeit ab und verfüttere sie an Snell.«
Der Umstand, dass Joach plötzlich sprach, noch dazu so unerwartete Worte, erschütterte Brant mehr als der Schmerz der gebrochenen Nase. Der Keim der Erkenntnis, dass womöglich er der Lackierte war, zeigte sich in Brants Gesichtsausdruck, und die Augen des Jungen wurden rot vor Zorn. »Das wollen wir erst mal sehen, du Schwachkopf«, fauchte er. »Komm, Snell, es sieht so aus, als würde das Spiel jetzt ein bisschen spannender.«
Ohne ein Wort rannte Snell die Treppe hinunter und ließ Brant zurück. Die eiligen Schritte des Jungen verhallten, während die beiden verbliebenen Gegner sich gegenseitig mit Blicken niederzumachen versuchten.
Der Verrat seines Kameraden schien Brant nicht zu beirren.
Er schüttelte lediglich den Kopf und wandte sich Joach zu. Er griff in eine andere Tasche und brachte ein weiteres Messer zum Vorschein. »Ich weiß nicht, was für ein Spiel du spielst, aber ich werde es beenden.«
Joach ging ein paar Stufen höher.
Brant folgte ihm. »Ich werde dafür sorgen, dass du schreist, bevor ich mit dir fertig bin.«
Joach setzte seinen Rückzug fort, während er fieberhaft überlegte, wie er sich in dieser Lage verhalten sollte. Wenn Brant verschwinden würde, dann würde Snell sehr wahrscheinlich über diesen Vorfall schweigen aus Angst, in irgendeiner Weise für das Verschwinden zur Rechenschaft gezogen zu werden. Joach tastete nach seinem Messer. Würde er Brant unschädlich machen, könnte er weiterhin die Rolle des Schwachsinnigen spielen, ohne befürchten zu müssen, entlarvt zu werden.
Mit einem plötzlichen lauten Grollen rannte Brant die Stufen zu Joach hinauf, das Messer mit der gezackten Schneide erhoben. Joach, der von seinem Vater im Umgang mit Schwert und Messer unterwiesen worden war, erkannte, dass Brant die Waffe zu hoch hielt, sodass dessen Bauch ungeschützt war. Brant war offenbar eher draufgängerisch als geschickt.
Joach duckte sich schnell und richtete den Stoß seines Messers auf die Weichteile zwischen Brants Rippen. Doch im letzten Augenblick verdrehte Joach das Handgelenk und trieb die Faust statt der Klinge in den Bauch des Jungen.
Verdutzt und durch den Hieb des Atems beraubt, vollführte Brant einen halbherzigen Angriff gegen Joach, aber Joach packte mühelos Brants Handgelenk mit der freien Hand und bog es gewaltsam nach hinten. Schmerz machte die Finger des Jungen taub, und seine Waffe fiel scheppernd zu Boden.
Joach drehte Brant herum, bis er den Jungen fest im Griff hatte, dann drückte er ihm die Klinge an den mageren Hals. Wenn Brant zum Schweigen gebracht würde, könnte Joach seine Maskerade fortsetzen. Seine Hand, die das Messer hielt, zitterte.
»Mach schon, Feigling!« röchelte Brant. Tränen flossen ihm aus den Augen.
Es war eine instinktive Eingebung gewesen, die Joach kurz zuvor veranlasst hatte, das Messer von Brants Bauch abzuwenden. Er war kein Mörder. Doch jetzt hatte er Zeit, über seine Rücksichtnahme nachzudenken. Brant würde sein Rollenspiel sicher verraten, wenn er ihn am Leben ließe. Die einzige Hoffnung, seiner Schwester zu helfen, lag also im Tod des Jungen.
Joach schloss die Augen.
Er hatte keine Wahl. Er schob Brant von sich weg.
Er war kein kaltblütiger Mörder - nicht einmal für seine Schwester. »Es tut mir Leid, Elena«, flüsterte er vor sich hin.
Der Junge taumelte die Stufen bis zum tiefer gelegenen Treppenabsatz hinab und fiel hart auf die Knie. Brant drehte sich zu Joach um. »Ich werde es allen sagen!« schrie er zu ihm hinauf. »Alle werden erfahren, dass du nur so tust, als ob du blöd bist!«
Joach erwiderte nichts.
»Du hast dich selbst erledigt!« brüllte Brant, während er sich erhob. »Ich sage es allen.«
In diesem Augenblick schwang hinter Brant ein Stück Mauer am Treppenabsatz auf. Der Lufthauch musste den Jungen aufgeschreckt und seine Aufmerksamkeit auf
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