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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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tun wir das Richtige? Wir könnten jederzeit zu Krals Stamm zurückkehren und abwarten, bis die anderen Pässe offen sind.«
    »Nein, dies ist der richtige Weg.«
    Die Überzeugung, mit der der Og’er sprach, ließ Er’ril aufhorchen. »Wie kannst du dir so sicher sein?«
    Tol’chuk verlagerte das Gewicht seines schweren Körpers, und dabei knackten seine Gelenke wie brechende Baumsprösslinge. Im Licht des Feuers sah Er’ril, wie der Og’er den Beutel an seinem Schenkel öffnete und einen größeren Gegenstand herausholte. Wie brennende Kohle leuchtete er tiefrot zwischen Tol’chuks Klauen. Er’ril erkannte den Stein: das Herz, wie Tol’chuk den großen Kristall genannt hatte, ein Klumpen wertvollen Herzsteins aus dem Bergwerk tief im Og’er-Land.
    Er’ril sah den Kristall nicht zum ersten Mal, doch noch nie hatte er so hell geleuchtet wie in dieser Nacht. Sein Blick war wie gebannt; die sanfte Strahlung schien sein tiefstes Inneres zu durchdringen. Er’ril stellte fest, dass seine Stimme seltsam belegt klang, als er versuchte, die Offenbarung des Og’ers zu begreifen. »Welche Bedeutung hat … das Herz?« fragte er.
    Tol’chuk verfiel erneut in Schweigen - wie ein Fels. Nur die weißen Schwaden, die seine Nüstern in die kalte Luft hauchten, ließen darauf schließen, dass er noch lebte. Schließlich sprach er wieder. »Ich möchte dir etwas sagen, Er’ril. Etwas, was ich noch niemandem gesagt habe.«
    »Was denn?«
    »Vor langer Zeit hat einer meiner Vorfahren, ein Blutsverwandter namens Eidbrecher, das Land auf übelste Weise verraten. Und zur Strafe hat das Land die Leute verflucht.« Der Og’er senkte vor Scham das Gesicht, beugte den Rücken vor Pein.
    Er’ril hatte Tol’chuk noch nie so gequält gesehen. Voller Unbehagen wanderten Er’rils Augen zum Waldrand, aber er wusste, dass er den Kummer seines Gefährten nicht so einfach übergehen konnte. Er sprach in die Stille. »Was hat dieser Eidbrecher getan?«
    »Das weiß niemand genau.« Tol’chuk hielt den leuchtenden Stein hoch. »Aber das ist der Fluch, der auf uns liegt. Der Stein hält die Geister der Toten unseres Stammes in sich, bis sie die Reise in die nächste Welt antreten können. Doch das Land hat einen bösen Samen ausgelegt, einen schwarzen Wurm namens Vernichter, und zwar mitten im Herzen des Steins. Jetzt frisst er unsere Geister auf, statt ihnen die Reise ins Jenseits zu gestatten.«
    Er’ril verzog das Gesicht. Wahrlich, ein schlimme Geschichte.
    »Ich bin der letzte Abkömmling des Eidbrechers, vom Schicksal verdammt wegen meines gemischten Bluts, unfähig, Nachkommen zu zeugen. Die Prophezeiung besagt, dass nur ich diesen Fluch, der auf den Geistern unseres Volkes lastet, aufheben und den Vernichter vernichten kann.«
    Er’ril betrachtete erneut den Herzstein und versuchte, sein Leuchten zu durchdringen und den Wurm im Inneren zu erspähen. Er sah nichts von dem, was der Og’er beschrieben hatte. »Dieser Vernichter … wie sollst du ihn loswerden?«
    »Ich muss herausfinden, was der Eidbrecher getan hat, und es wieder gutmachen.« Tol’chuk senkte den großen Kristall in seinen Schoß.
    »Ich dachte, niemand weiß, was dieser Vorfahr von dir verbrochen hat.«
    »Das stimmt. Aber mir wurde das Herz als Leuchtfeuer gegeben. Es weist mir den Weg.«
    Er’ril überdachte diese Aussage; allmählich begriff er. »Das Leuchten …?«
    »Es treibt mich weiter. Führt mich dorthin, wo ich sein muss. Zuerst zum Gestaltwandler, dann zu dem Mädchen. Nachdem ich mich euch allen angeschlossen hatte, wurde der Stein dunkel und still - deshalb weiß ich, dass wir alle zusammenbleiben müssen. Doch beim Einsetzen der Schneeschmelze meldete er sich wieder, drängender mit jedem Tag. Jetzt quält er mich wie Feuerhaken, die in meinem Herzen stochern. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
    Er’ril betrachtete eine Weile schweigend den Stein. »Ich glaube dir«, sagte er schließlich und wandte den Blick zu dem unheilvollen Wald. Obwohl die Worte des Og’ers Er’rils Entschluss, was ihren Weg betraf, bekräftigt hatten, trugen sie kaum dazu bei, die Furcht in seinem Herzen zu mildern. Stein oder nicht, eine Prophezeiung war wenig dazu angetan, einen gegen den Biss einer Spinne zu schützen. »Aber, Tol’chuk, bist du dir ganz sicher hinsichtlich dessen, was der Stein von dir verlangt?«
    Als Antwort hob der Og’er den Herzstein in Richtung des dunklen Waldes. Der Kristall leuchtete heller auf und wetteiferte jetzt mit den Flammen

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