Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Nebelbraut zwischen die beiden Männer. »Merik wird uns nicht im Stich lassen«, sagte sie und nickte dabei dem Elv’en zu. »Er kennt meine Wünsche und wird seine Aufgabe vorzüglich erledigen.«
Merik neigte den Kopf. »Wie ich sehe, ist der weise Rat des Elv’en-Königs nicht durch Generationen gewöhnlichen Blutes verwässert worden.«
Kral, der dabei war, zusammen mit Ni’lahn ihre Pferde wegzuführen, rief zu ihnen herüber. Er trug drei Fackeln in der großen Faust. »Wenn ihr damit fertig seid, eure Zungen zu wetzen, dann haben wir ein Feuer zu legen.«
Er’ril hob die Fackel höher und trieb seinen Hengst in Richtung Wald. Elena ritt hinterher, dicht gefolgt von Merik. Die drei strebten dem Wald links des Weges zu, während Ni’lahn und Kral zur anderen Seite trabten.
»Hässliches Getier«, bemerkte Merik, als Er’ril seine Gruppe an den Ausläufern des Waldes anhalten ließ.
Elena fand die Worte des Elv’en bei weitem zu milde. Vom Laubdach des Waldes hing ein verfilzter Vorhang aus Netzen herab wie verklumptes Blut aus einer offenen Wunde. Die fetten roten Körper der Spinnen verstärkten den Eindruck, dass die Bäume bluteten.
»Das sind keine natürlichen Lebewesen«, sagte Merik. »Sie stinken nach Verderbnis.«
»Natürlich oder nicht«, entgegnete Er’ril und hob die Fackel zu dem Gewirr von Netzen, die zu ihnen herwehten, »ein Feuer kann jede Verderbnis wegbrennen, wenn es nur heiß genug ist.« Er hielt die Fackel an die herabhängenden Fasern. Die Flammen griffen auf das Netz über. Knisternd und zischend loderte das Feuer an den Fäden empor. Einige Spinnen, die vom Feuer erfasst wurden, versuchten wegzukrabbeln, obwohl ihre Körper bereits in Flammen standen. Manche schafften es sogar, das Feuer zu überwinden und in benachbarte Netze zu flüchten, wohingegen andere durch das in ihnen brodelnde Gift knallend zerplatzten. Spritzer des Gifts verätzten das Holz und die Rinde, mit denen sie in Berührung kamen.
Er’ril hob die Stimme, und seine Worte schallten durch das Tal: »Jetzt! Brand setzen!« Er warf seine Fackel in den Wald.
Elena warf die ihre in die Richtung, in die Er’ril wies. Merik lenkte sein Fohlen ein paar Schritte zur Seite, dann schleuderte er seine Fackel ebenfalls tief in den Wald hinein. Abgestorbenes Holz, das sich wie Treibholz am Meer angesammelt hatte, nahm das Feuer der Fackeln gierig auf.
»Noch mal!« rief Er’ril. Elena und die anderen kehrten zum Feuer zurück und holten sich weitere brennende Scheite. Sie wiederholten ihren Angriff auf den Wald, säten neues Feuer und verbreiterten die Front der Feuersbrunst. Nach vier Angriffen waren sie gezwungen innezuhalten. Die Hitze war zu groß geworden, um sich weiter als auf Steinwurfweite zu nähern.
Er’ril rief die Gruppe zusammen. Während sich die anderen zu ihnen gesellten, konnte Elena die Augen nicht von den Flammen abwenden, die zum Himmel hinauf loderten. Das Feuer knisterte und krachte wie das heisere Lachen eines Raubtiers. Was hatten sie angerichtet?
Elena lenkte Nebelbraut neben Ni’lahns Pferd. Die zierliche Frau hing schlaff im Sattel. Auch die Nyphai konnte dem Feuer nicht den Rücken zukehren. Der Feuerschein spiegelte sich in ihren Tränen. »Wir … wir mussten es tun«, murmelte Ni’lahn und streckte die zarte Hand Elena entgegen.
Elena ergriff sie schweigend, wohl wissend, dass dieser Schmerz mit Worten nicht zu lindern war.
Ni’lahn fuhr fort: »Ich weiß, dass der Wald tot ist … und ich bin froh zu sehen, wie das Feuer die Horde vernichtet, die diesen stolzen Wald umgebracht hat … Aber … aber trotzdem …«
Elena drückte ihre Hand.
Inzwischen war Tol’chuk herangekommen, seine bernsteinfarbenen Augen funkelten im Licht des Feuers. Die scharfen Ohren des Og’ers hatten Ni’lahns Worte offenbar gehört. »Die Geister der toten Bäume haben den Wald verlassen. Es wäre nicht recht, wenn sich nun dieses Ungeziefer an den Überresten gütlich täten. Es gereicht den Toten zur Ehre, dass ihre Asche dem Himmel und der Erde zurückgegeben wird. Sobald der Weg freigebrannt ist, kann neues Leben entstehen.«
Bei Tol’chuk Worten richteten sich Ni’lahns Schultern ein wenig auf. »Grünes Leben aus rotem Feuer«, flüsterte sie.
»Wie bitte?« hakte Elena nach.
Ni’lahn seufzte und schüttelte den Kopf, dabei entzog sie Elena ihre Hand. »Tol’chuk hat Recht«, erklärte sie. »Der letzte unserer Ältesten hat prophezeit, dass meine Waldheimat nur durch Feuer
Weitere Kostenlose Bücher