Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Cassa Dar zu, die den Kampf gegen das Ungeheuer führte. »Was ist mit dem Jungen?« fragte Elena.
Von Cassa Dars zitternder Gestalt kam keine Antwort.
Neben der Hexe war Jaston. Er sah Elena in die Augen und schüttelte den Kopf. »Er ist zu schwach.«
»Mach dir keine Gedanken darüber«, sagte Mikela. »Der Junge ist nur eine illusionäre Erscheinung, Elena.«
Elenas Lippen wurden schmal, und sie wandte sich an Mikela. »Gib mir meinen Dolch.«
Mikela gehorchte und zog Elenas silberne Klinge aus deren abgelegter Kleidung. »Wir müssen über die Treppe fliehen«, drängte ihre Tante. »Uns neu gruppieren, um ihm die Verfolgung zu erschweren.«
»Nein«, widersprach Elena. Sie ritzte sich einen tiefen Schnitt in die linke Hand, diejenige, mit der sie den Jungen gehalten hatte, diejenige, die im Mondlicht geboren war.
Plötzlich wogte das Wasser im stillen See hinter ihr auf. Elena drehte sich auf dem gesunden Fuß um. Der schwarze Zwerg tauchte aus dem Wasser auf, die Kehle des Jungen mit einer Faust umklammernd. Aus dem Körper des Kindes brach ein Gewirr von Ranken hervor und schlug auf die schwarze Haut des Ungeheuers ein, im Bemühen, sich zu befreien. Doch der Kampf war bereits entschieden, denn wo die Ranken des Jungen den Stein berührten, kräuselten sie sich und starben ab.
Blut tropfte von Elenas aufgeritzter Hand, als sie den Arm hob. Wo die roten Tropfen den See berührten, breitete sich Eis in spinnennetzartigen Mustern auf dem See aus. Elena berührte die Magik in sich, entzündete sie. Eis jagte aus ihrem Herzen in ihre Hand und brach in einem blauen Feuer aus ihr hervor. Wieder sang die Kraft in ihr, und sie ließ sie toben.
Sie schleuderte ihre Magik in den See. Kaltfeuer traf den zappelnden Schwarzwächter und lähmte ihn mit seiner unvermittelten eisigen Berührung. Elena ließ ihre Magik weiter strömen, ließ ihrer ungestümen Kraft freien Lauf. Dies war kein feiner Zauberbann, sondern rohe Urgewalt.
Ein Schrei aus tiefster Kehle begleitete ihre Bewegung, als sie das Kaltfeuer auf den See schleuderte.
Der See gefror um den Schwarzwächter herum und umklammerte das Ungeheuer. Nur dessen Kopf, Oberkörper und ein Arm befanden sich noch über dem Eis. Elena verströmte ihre Magik, bis die gesamte Fläche des Sees gefroren war. Erst da schloss sie die Faust und stoppte den Strom des Kaltfeuers.
Während sich ihr Blick klärte, blinzelte sie mit den vereisten Wimpern und prüfte ihr Werk. In den von Eis erstarrten Armen hielt der steinerne Schwarzwächter immer noch den Jungen gefangen. Keiner von beiden bewegte sich.
Elena sank auf die Knie. Heiße Tränen brannten wie Feuer auf ihren kalten Wangen.
»Du hast es geschafft«, hauchte Er’ril, der neben ihr kniete.
Cassa Dar regte sich ebenfalls am Rand des Wassers. Sie betrachtete mit staunenden Augen das gefrorene Wasser. Die Sumpfhexe erhob sich, vor Erschöpfung leicht schwankend. Gestützt von Jaston, ging sie zu dem am Boden liegenden Try’sil. Jaston hob den Hammer auf, damit sie ihn betrachten konnte. »Elena, du hast ein Wunder vollbracht«, murmelte sie und betastete den geschnitzten Schaft des Try’sils voller Ehrfurcht.
Elena antwortete nicht, ihr Blick war unverwandt auf das Kind gerichtet, das im Griff des Schwarzwächter-Ungeheuers erstarrt war.
Aber um welchen Preis, fragte sie sich im Stillen, und sie dachte an einen Jungen, der seinen Kuchen am liebsten mit einem Sahnehäubchen mochte.
Ferndal war der Erste, dem auffiel, dass irgendetwas nicht stimmte. Der Wolf blickte auf den See hinaus, und ein beunruhigtes Knurren stieg aus seiner Kehle auf.
Während Mikela damit beschäftigt war, Elena eilends in trockene Kleidung zu bekommen, trat Er’ril neben Ferndal und betrachtete den See. Er bemerkte nichts Ungewöhnliches; der schwarze Zwerg war immer noch erstarrt im Griff des Eises. Er legte Ferndal die Hand auf den Rücken und stellte fest, dass der Wolf die Nackenhaare aufgestellt hatte. »Riechst du etwas?«
Ferndal trat einen Schritt vom Seeufer zurück. Im selben Augenblick brach das Eis mit lautem Knacken auf.
Bei dem unerwarteten Geräusch zuckten alle zusammen. Sofort war die gesamte Gruppe auf den Beinen. Anfangs hielt Er’ril das Knacken für ein Zeichen, dass das Eis barst, doch schnell merkte er, dass er sich geirrt hatte.
Es war nicht Eis, das zerbrach - sondern Stein! Der Schwarzsteinzwerg brach auseinander. Der massige Schädel fiel von den Schultern und polterte übers Eis, wobei er in noch
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