Alasea 03 - Das Buch der Rache
Deck zuckten und stöhnten fast einen ganzen Tag lang. Danach taten sie alles, was Meister Vael von ihnen verlangte. Auf seinen Befehl hin töteten sie sogar einige ihrer Mannschaftskameraden, die nach dem Bohren nicht schnell genug aufgewacht waren. Sie hackten die Männer auseinander und verfütterten sie an die geflügelten Ungeheuer.« Tok starrte Elena in die Augen. »Und die Mannschaft stand gleichgültig da. Manche Männer lachten sogar, während sie ihre Freunde mit Äxten und Sägen bearbeiteten.«
Elena drehte sich der Magen um. Süße Mutter, wie hatte der Junge dieses Grauen nur überleben können? Als er wieder zu weinen begann, nahm sie ihn fest in die Arme.
»Ich konnte nichts tun, außer mich zu verstecken«, schluchzte er an ihrer Brust. »Ich habe gesehen, wie sie euch gefangen genommen haben, und auch dagegen habe ich nichts unternommen. Ich bin ein elender Feigling. Ich hätte euch warnen müssen, euch zurufen, dass es besser ist, ins Meer zu springen und zu ertrinken, als an Bord dieses verfluchten Schiffes zu kommen.«
Elena schlang die Arme fester um ihn und wiegte ihn, wie ihre eigene Mutter sie früher nach einem bösen Traum in den Armen gewiegt hatte. Aber das konnte ihm nur wenig Trost spenden. Was er erlebt hatte, war kein Hirngespinst. »Hol Er’ril«, flüsterte sie über den Kopf des Jungen zu Joach.
Ihr Bruder nickte und schlich sich fort.
Als er gegangen war, suchte Elena den Jungen zu beruhigen. Der kleine Kerl hatte ein Grauen mit ansehen müssen, an dem die meisten ausgewachsenen Männer zerbrächen. »Du hättest etwas so Böses niemals allein aufhalten können«, flüsterte sie ihm tröstend zu. »Sie hätten auch dich getötet. Du hast überlebt und konntest uns jetzt vor dem Bösen warnen.«
Er hob den Kopf und schniefte laut. »Aber was könnt ihr schon gegen sie ausrichten? Es sind so viele.«
Sie legte einen Finger an seine Lippen. »Schschhhh. Es gibt immer einen Weg.« Plötzlich kam ihr eine Idee. Wenn der Junge gesehen hatte, wie sie gefangen genommen wurden… »Tok, weißt du vielleicht, wohin sie unsere Sachen gebracht haben?«
Er nickte eifrig. »Sie liegen am Ende des Ganges. Ich kann euch zeigen, wo.«
Plötzlich erstarrte der Junge in ihren Armen dann hörte auch Elena das Geräusch: das sich nähernde Poltern von Absätzen auf den Holzplanken. Der Junge versuchte, sich ihrer Umarmung zu entwinden, aber Elena beruhigte ihn. Sie hatte die gedämpften Stimmen schon erkannt, welche die Schritte begleiteten. »Hab keine Angst. Es ist nur mein Bruder, der mit unserem Freund zurückkommt.«
Er’ril trat aus der Dunkelheit in den winzigen Schein der Lampe. Er musterte den Jungen, als würde er ein Stück Pferdefleisch begutachten. »Joach hat mir die Geschichte bereits erzählt«, sagte Er’ril barsch.
»Er weiß, wo unser Gepäck ist«, fügte Elena hinzu.
»Gut«, meinte der Präriemann, »vielleicht weiß er auch einen besseren Weg durch das Schiff.«
Elena wollte dem Jungen gerade die Frage stellen, aber dieser nickte bereits. »Ich kenne viele Wege.«
Er’ril ging zu ihm. Elena dachte zuerst, er wollte den kleinen Kerl trösten, aber stattdessen drückte er den Kopf des Jungen nach unten und fuhr ihm mit dem Finger grob über den Nacken. »Er scheint nicht verseucht zu sein.«
Elena stockte der Atem. Wie konnte Er’ril nur so gefühllos und kalt sein, nach all dem, was der Junge hatte durchmachen müssen? Aber gleichzeitig hatte sie sich selbst vorzuwerfen, dass sie den Jungen zu keiner Zeit als Gefahr betrachtet hatte. Sie war sogar so weit gegangen, Joach fortzuschicken, sodass sie allein mit dem Fremden gewesen war.
Dieselben Gedanken hatte wohl auch Er’ril gehabt, das erkannte sie an seiner verärgerten Miene. Sogar Joach wirkte verlegen, hielt den Blick gesenkt. Ihr Bruder hatte sich von Er’ril wahrscheinlich ein paar strenge Worte anhören müssen, dass er eine Schwester nicht hätte zurücklassen dürfen.
»Wir können es nicht riskieren, uns noch länger hier aufzuhalten«, erklärte Er’ril.
Plötzlich drang ein lauter, gellender Schrei durch die Schotten und hallte durch den ganzen Hohlraum des Schiffes.
Tok schluchzte in Elenas Umarmung auf und zog den Kopf ein. »Nein, nicht schon wieder.«
Elena sah Er’ril über den Kopf des Jungen an. Im starren Blick des Präriebewohners sah sie, dass auch er die Stimme erkannt hatte.
Flint.
10
»Wer ist da?« donnerte die Stimme aus der Dunkelheit der Veranda der Taverne.
Der
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