Alasea 03 - Das Buch der Rache
sich nicht vor ihnen.
Während Mikela sich die trockenen Lippen befeuchtete, musterten seine Augen jede ihrer Bewegungen, suchten nach ihren Stärken und Schwächen. Er lächelte sie an und nickte. Sie erwiderte das Nicken. Zwei Krieger erkannten einander.
Ganz gleich, wie gefährlich er nun wirklich war, einen so gut aussehenden Kastenmeister hatte sie hier nicht erwartet. Er war jünger, als sie vermutet hätte, auf keinen Fall älter als dreißig Winter. Er hatte breite Schultern und ein noch breiteres Lächeln im Gesicht. Mit dem dicken sandfarbenen Haar, geölt und hinters Ohr gebürstet, und dem sorgfältig gestutzten Schnurr und Kinnbart, hätte er genauso gut ein hübscher Prinz aus einem der vielen Königreiche Alaseas sein können.
»Bitte, kommt herein und setzt euch«, begrüßte er sie mit schlichter Höflichkeit. »Ich habe mir die Freiheit genommen, für den Herrn einen Humpen Sumpfbier zu bestellen, und ich glaube, die Dro trinken besonders gern Kaffee, nicht wahr? Ihr müsst euch keine Sorgen um eure Gefährten im Hafen machen. Sie stehen unter meinem Schutz, während wir hier reden.«
Jaston warf Mikela einen Blick zu. Der Mann wusste bereits sehr viel über sie.
Mikela räusperte sich und bedankte sich für die Freundlichkeit, dann nahmen sie beide Platz. »Wenn du bereits so viel weißt dann weißt du auch, dass wir ein Schiff anheuern wollen.«
»Das stimmt, um ein Mädchen zu retten, das…« Tyrus machte eine Pause und forderte Jaston und Mikela damit auf, die Einzelheiten hinzuzufügen. Die beiden schwiegen jedoch, und sein Grinsen wurde noch breiter.
Mikela fiel noch eine weitere Besonderheit an diesem hübschen Piratenkönig auf. Er hatte keine Narben im Gesicht und das bereitete ihr die größte Sorge. Wie konnte man sich an die Spitze dieser harten Männer kämpfen und keine Anzeichen eines Kampfes am Körper tragen? Welch ein hervorragender Kämpfer musste er sein!
Sie hörte sich die Frage aussprechen, noch bevor sie es verhindern konnte. »Wo hast du gelernt, so gut zu kämpfen?«
Sein Lächeln wirkte nun nicht mehr ganz so breit. Eine Frage aus einer so ungewöhnlichen Richtung hatte er nicht erwartet. Aber seine Miene hellte sich rasch wieder auf. »Aha, du hast ein gutes Auge… Burg Mryl hast du zwar schon vor langer Zeit verlassen, doch deine Fähigkeiten anscheinend stetig verbessert. ›Ein scharfes Auge für Einzelheiten ist oft mehr wert als die schärfste Schwertklinge.‹«
Mikela zuckte zusammen bei diesen Worten. Bei dem Satz handelte es sich um ein altes Sprichwort, das ihr die Meisterin des Schwerts während der Ausbildung vor langer Zeit beigebracht hatte.
Meister Tyrus griff zu einem Glas Rotwein, und schneller als Mikela ihm folgen konnte, tauchte in seiner anderen Hand ein langes Schwert auf. Sie sprang auf, stieß den Stuhl zurück und zog ihre zwei Schwerter aus der Scheide. Aber sie war zu langsam. Tyrus’ Schwertspitze bedrohte bereits Jastons Kehle. Der Sumpfbewohner hatte nicht einmal die Zeit gehabt, die Hand zu heben.
Der König der Piraten lachte laut und herzlich auf und zog das Schwert zurück. »Ich wollte nur sehen, wie schnell du bist. Es tut mir Leid, aber ich konnte nicht widerstehen und musste deine Dro Ausbildung testen.«
Mikela zitterte noch immer am ganzen Körper nach diesem Schrecken. Tyrus bewegte sich mit der Anmut und Geschwindigkeit einer angreifenden Schlange, also hielt sie ihre Schwerter kampfbereit. Sie konnte genauso gut auch bewaffnet mit dem Piratenkönig verhandeln. Nicht noch einmal würde sie sich unvorbereitet erwischen lassen.
Tyrus beäugte ihre Schwerter, er lachte noch immer. Aber kein hartes oder berechnendes Funkeln überschattete seinen Blick, nur die Belustigung blitzte ihm aus den Augen. Auch er steckte sein Schwert nicht zurück in die Scheide. Stattdessen legte er die Klinge auf den Tisch. Dem schimmernden Glanz des Stahls nach zu urteilen, musste die Waffe sehr alt sein. Wenn Mikela sich nicht irrte mussten die Schmiede den Stahl während des Schmiedevorgangs mindestens hundert Mal gefaltet haben. Diese Fähigkeit ließen die Waffenschmiede schon seit unzähligen Jahrhunderten vermissen. Alles in allem war dieses Schwert genauso gut aussehend wie sein gegenwärtiger Besitzer. Sie fragte sich, von welchem reichen Edelmann der Pirat eine so erlesene Waffe wohl erbeutet hatte.
Als seine Hand vom Heft des Schwertes glitt, kam schließlich dessen edle Form zum Vorschein. Das Heft war einfach gearbeitet, ohne
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