Alasea 03 - Das Buch der Rache
tragen.«
Kast blickte zu Saag wan auf. »Aber bist du nicht Ragnar’ks Leibgefährtin?«
»Ja und? Das Bündnis mit einem Drachen bedeutet nicht, dass das Tier auch mein Herz besitzt. Ehrlich gesagt, habe ich mehr für den Drachen Conch übrig als für Ragnar’k. Der Drache in dir macht mir in vieler Hinsicht Angst. Er trägt eine Wildheit in sich, die niemals gezähmt werden kann, die man niemals erfassen oder kontrollieren kann und ich am allerwenigsten.«
»Aber Ragnar’k wird immer ein Teil von mir sein, auch seine Wildheit.«
Saag wan lächelte traurig bei diesen Worten. »Ich habe dich genau beobachtet, Blutreiter. Du magst einen Drachen in dir tragen, aber dein Herz gehört dir. Das weiß ich.«
»Woher?« fragte er mit belegter Stimme.
Sie berührte seine Wange, und zwar die, auf der kein Drache prangte. »Ich kenne dein Herz, Blutreiter.«
Kast wünschte, er könnte dasselbe von ihrem Herzen sagen. Wollte Saag wan ihn nur trösten oder doch mehr ausdrücken mit diesen Worten? Er wagte es und lehnte den Kopf leicht gegen ihre Hand, nur ein wenig, und ließ sich die Haut wärmen. Doch Saag wan zog die Hand zurück, als vor der Zimmertür plötzlich Stimmengemurmel zu hören war.
Das Portal ruckte auf, und Meister Edyll trat über die Schwelle. »Ich hoffe, ich störe euch nicht beim Essen«, sagte er und winkte Bridlyn fort.
»N nein, Onkel«, stotterte Saag wan.
Kast warf verstohlen einen Blick zu ihr hinüber, aber wieder einmal konnte er nichts aus ihrer Haltung schließen. Ließ die Erleichterung sie stottern oder doch die Verlegenheit?
Meister Edyll signalisierte, dass die Tür geschlossen werden sollte, dann trat er an den Tisch heran. Kast stand auf, zog einen weiteren Stuhl an den Tisch und setzte sich erst, nachdem der Ältere Platz genommen hatte.
»Danke, Meister Kast«, sagte dieser und tätschelte die Hand des Blutreiters, als dieser wieder saß. Meister Edyll beäugte die beiden einige Sekunden lang, dann sprach er. »Was habt ihr beiden vor? Wollt ihr uns verlassen?«
Kast warf einen nervösen Blick zu Saag wan, deren Gesichtsausdruck jedoch ruhig und gelassen wirkte. »Was meinst du, Onkel?« fragte Saag wan.
»Ich dachte, wir sollten die Gründe, warum ihr zwei heute Morgen an den Rat herangetreten seid, einmal ganz im Vertrauen besprechen.«
Kast blies den Atem langsam aus. Er hatte schon vermutet, dass das Ratsmitglied ihre Pläne ahnte. »Sollten wir das nicht mit dem ganzen Rat bereden?«
Meister Edyll verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Die nächsten drei Tage werden sie sich mit mir zanken, weil ich Mer’ai Geheimnisse ausgeplaudert habe. Da die anderen Ratsmitglieder so unnachgiebig darauf bestehen, dass meine Worte unrichtig sind, werden wir ziemlich in Fahrt geraten, wenn das Thema einmal zur Sprache kommt.«
»Aber warum wurde unsere Geschichte verschwiegen?« fragte Saag wan.
Meister Edyll seufzte. »Der Drachenbruder wollte es so. Es war die erste Vorschrift, die unser Urahn erließ. Nachdem er ins Meer geflohen war und die Mer’ai gegründet hatte, kappte er sofort alle Verbindungen zu den Oberflächenbewohnern. Er wollte ein friedfertiges, friedvolles Volk unter den Wellen, das glaubte, das Meer wäre schon immer seine Heimat gewesen.« Meister Edyll schloss mit einem verächtlichen Schnauben.
»Warum ist die Sache missglückt?« fragte Kast.
»Aha, du ahnst also schon, dass sein großartiger Plan fehlschlug?« meinte Meister Edyll mit einem glucksenden Lachen, doch dann wurde er schnell wieder ernst. Kast sah die Pein in den Augen des Ältesten. »In gewisser Hinsicht ist unser Urahn ein Narr gewesen.«
Saag wan verschlug es fast den Atem bei dieser so offen ausgesprochenen Herabwürdigung des Vorvaters.
Meister Edyll saß einen Moment lang still da, dann fuhr er fort. »Er hatte gedacht, er könnte seinem Erbe entkommen, indem er unters Meer floh. Aber so einfach war es nicht. Er nahm die gewalttätige Vergangenheit mit sich hinunter ins Wasser. Er vermochte sie nicht zu verbergen. Sein Blut stammte schließlich von einem temperamentvollen Volk, und die folgenden Generationen waren mit demselben inneren Feuer verflucht. Starrsinn und ständige gegenseitige Verdächtigungen prägten das Gemeinschaftsleben. Und durch die Vermischung mit dem Drachenblut wurde das Feuer noch zusätzlich geschürt, sodass in den Adern unserer Vorfahren ein ungestümer Stolz entflammte. Irgendwann fühlten sie sich den vermeintlich üblen Landbewohnern
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