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Alasea 03 - Das Buch der Rache

Alasea 03 - Das Buch der Rache

Titel: Alasea 03 - Das Buch der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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lag. Er war entsetzt und verwundert zugleich und für einen Augenblick stellte er sich vor, dass das Unwahrscheinliche möglich würde.
    Vielleicht sogar Liebe.
    Pinorr fand Scheschon zusammengekauert auf ihrem Bett. Die Arme um die angewinkelten Beine geschlungen, wippte sie vor und zurück. Er setzte sich aufs Bett und hielt sie fest. Die Worte purzelten wirr aus ihrem Mund heraus: Bruchstücke von halbwegs verständlichen Wörtern, als würde sie sich mit einem unsichtbaren Gegenüber unterhalten, dann wieder völlig verworrene Sätze. Auch veränderte sie plötzlich ihre Stimme, die dann tiefer klang und gar nicht mehr wie die eines kleinen Mädchens. Pinorr wusste von vergangenen Anfällen, dass es am besten war, sie einfach plappern zu lassen.
    Neben dem Bett stand Mader Geels Enkelin, die kleine Ami, die mit großen, angsterfüllten Augen auf das Mädchen starrte. Schließlich schlurfte auch Mader Geel herein und legte einen Arm um ihre Enkelin.
    Pinorr blickte die alte Frau finster an, und mit den Augen deutete er auf Ami. Mader Geel hätte das verängstigte Kind nicht allein bei Scheschon lassen dürfen, als sie hinausgelaufen war, um ihn zu holen. Scheschons Anfälle waren mitunter für Erwachsene schon schrecklich mit anzusehen.
    Mader Geel entschuldigte sich nicht, ihr Gesicht blieb hart. »Ich verschone Ami nicht von der Härte des Lebens… auch nicht vom Wahnsinn.«
    Pinorr fuhr Scheschon durchs Haar, und seine Augen wurden zu Schlitzen. »Scheschon ist nicht wahnsinnig. Sie ist nur ein wenig verwirrt im Kopf.« Seine Stimme wurde leiser, während er das Mädchen streichelte. »Ich glaube allerdings, dass ihre Anfälle in letzter Zeit schlimmer geworden sind, weil…« Er blickte auf zu Mader Geel. »Weil sie sich der Erweckung nähert.«
    Diese Worte ließen den sonst so versteinerten Blick der alten Frau weich werden. »Ihr Wahnsinn muss ansteckend sein«, meinte sie abschätzig. »Warum sollten die Götter ein so gestörtes Kind mit der Rajor Maga bedenken?«
    »Ich habe nie versucht, die Beweggründe der sieben Meeresgötter zu hinterfragen. Die Auswahl der Menschen, denen sie ihre Gaben vermachen, war noch nie durchschaubar.« Scheschon schien sich in Pinorrs Armen und durch seine sanften Worte zu beruhigen. Die Flut von Worten verringerte sich zu einem kleinen Rinnsal, und sie hörte auf zu wippen.
    »Was veranlasst dich zu denken, dass sie die Gabe besitzt?«
    »Du hast ihre Schnitzerei gesehen.«
    Mader Geels Miene verfinsterte sich. »Sie ist begabt, das gebe ich zu«, antwortete sie zögernd. »Aber viele Verrückte, auch die, die am Ende ins Meer gehen müssen, sind mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet. Ich kannte einst einen verwirrten Burschen, der sich oben in den Segeln so geschickt anstellte, dass er auf dem Seil gehen konnte, ohne die Hände zu benutzen. Sogar im stärksten Sturm wandelte er dort oben, als würde er über ein breites, ruhiges Deck wandern.« Mit einer Handbewegung tat sie das soeben Gesagte ab. »Aber ihr Können geht über diese einzelnen Fähigkeiten nicht hinaus. Du bist so fixiert auf Scheschons einziges Talent, dass du behauptest, sie wäre von den Göttern erwählt.«
    »Aber es ist nicht nur ihr Begabung fürs Schnitzen«, behauptete Pinorr. Aus unerfindlichen Gründen brauchte er jemanden, der ebenfalls erkannte, was ihm langsam dämmerte. »Bis zu diesem Morgen hätte ich niemals vermutet, dass ihre Fähigkeiten mit der Rajor Maga verbunden sein könnten. Aber jetzt weiß ich es!«
    Mader Geel schickte Ami in die Ecke, wo ein paar Spielsachen herumlagen. Meist waren es Figuren aus Fischbein, die Scheschon geschnitzt hatte, als sie noch jünger war. Ami setzte sich und suchte sich eine winzige Schnitzerei aus, die ein sehr hübsches Mädchen darstellte. Aus irgendeinem Grund hatte Scheschon darauf bestanden, die Hände der Puppe mit roter Farbe zu bemalen.
    Als Ami sich niedergelassen hatte, kam Mader Geel ans Bett. Sie setzte sich neben Scheschon. »Ich kann verstehen, dass du Angst um sie hast, Pinorr…«
    Mader Geels Versuch, Mitgefühl zu zeigen, brachte Pinorr jedoch noch mehr in Rage. »Wir sollten alle um sie bangen«, spie er aus. »Eine Gefahr nähert sich der Flotte. Mit dem Sturm wird sie heute über uns hereinbrechen. Und ich glaube, dass Scheschon der Schlüssel ist, um das Rätsel zu lösen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Hast du jemals Unaufrichtigkeit in meinen Visionen vermutet?« fragte er.
    Sie schreckte ein wenig zurück. »Niemals!

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