Alasea 03 - Das Buch der Rache
Vergiss nicht, dass ich Ulsters Vater, dem Großkielmeister, gedient habe. Ich weiß, dass deine Meeressinne uns vor vielen Kämpfen bewahrt haben.«
»Dann wisse eines, Mader. Scheschon schnitzte diesen Drachen und sprach zu mir von einer Bedrohung, die sich nähert, von Drachen und Verdammnis.«
»Die Fantasien eines Kindes«, behauptete die alte Frau, aber nun schwang bereits Zweifel in ihren Worten mit.
»Das dachte ich zuerst auch. Ich hatte das Kommen des gewaltigen Südsturmes bereits gespürt und war ungehalten, weil Scheschon so laut vor sich hin brabbelte. Aber nachdem ich mich mit Ulster gestritten hatte, schaute ich erneut aufs Meer. Ich fühlte etwas Neues im Wind.« Er hielt inne und zog Scheschon in seine Arme. Die Kleine schien allmählich aus dem Trancezustand aufzuwachen. Mit dem Daumen im Mund blickte sie sich in dem winzigen Raum um. Sie lehnte sich an Pinorr, suchte Wärme und Ruhe.
»Was?« fragte Mader Geel. »Was hast du gefühlt?«
»Ich fühlte Drachen in der Luft.«
Entsetzen breitete sich auf dem Gesicht der Frau aus. »Vielleicht warst du von Scheschons Worten deutlicher beeinflusst, als du zuerst vermutet hast.«
Pinorr schaute über Scheschons Kopf hinweg. »Also zweifelst du doch an meinen Fähigkeiten.«
Mader Geel sagte nichts. Der Krieg, den sie innerlich ausfocht wütete auch auf ihrem Gesicht. Sie wollte seine Worte nicht glauben, durfte jedoch die Richtigkeit seiner Rajor Maga nicht infrage stellen. »Bist du sicher?« fragte sie schließlich.
Er nickte nur. »Scheschon sah es zuerst, noch vor mir. Die Mer’ai kommen.«
»Unsere alten Sklavenmeister«, murmelte Mader Geel. Solange Pinorr die Frau kannte, hatte sie niemals den Mut verloren, nicht einmal in den wildesten Kämpfen, in denen sie nur geringe Aussichten auf Erfolg hatten. Doch nun stand ihr die nackte Angst ins Gesicht geschrieben.
Da meldete sich Ami zu Wort, die noch immer in der Ecke spielte. Sie blickte nicht von ihrem Spiel auf und sprach mit lieblicher Stimme. »Schischi sagte, dass wir alle sterben werden.«
Mader Geel und Pinorr warfen einen Blick auf das Mädchen, dann starrten sie sich gegenseitig an.
»Scheschon ist der Schlüssel zu dem Ganzen«, erklärte Pinorr und zog seine Enkelin an sich. »In ihrem Kopf befindet sich das Wissen, mit dem sie uns vor dem Verhängnis bewahren kann.«
Draußen hämmerte jemand an die Tür zu Pinorrs Räumen. Pinorr und Mader Geel sprangen auf. Ami ließ von ihrem Spielzeug ab, und Scheschon schluchzte auf. »Sie kommen«, murmelte Scheschon an Pinorrs Brust.
»Mach die Tür auf!« befahl eine Stimme im Gang. »Auf Befehl des Kielmeisters muss das Mädchen Scheschon Rechenschaft ablegen über den Angriff, den sie auf ein Mitglied der Mannschaft verübt hat.«
Pinorr bedeutete Mader Geel, sich um Scheschon zu kümmern. »Sie dürfen ihr nichts tun«, zischte er. »Verstehst du? Nicht nur um meinetwillen. Es geht um das Schicksal der De’rendi.«
Mader Geel starrte ihn einen Atemzug lang an, dann nickte sie langsam. »Ich glaube dir.«
Noch einmal pochte es an die Tür, diesmal weniger laut, dafür nervöser. Pinorr wusste, dass die Wächter es nicht wagten, die Tür einzuschlagen. Sie würden nicht einmal hereinkommen, wenn die Tür offen wäre. Die Furcht vor dem Zorn eines Schamanen würde sie auch noch eine Weile in Schach halten.
Pinorr wandte sich an Mader Geel. »Dann weißt du, was wir zu tun haben.«
»Wir kämpfen.«
Selbst mit der Angst im Herzen musste er über das Feuer in den Worten der alten Frau lächeln; zwei grauhaarige Alte schickten sich an, es mit den Kriegern des Schiffes aufzunehmen. »Ulster glaubt, dass seine Jugend und seine Kraft ihn stark machen. Wir aber werden ihm beibringen, dass nur das Verstreichen vieler Winter einen wahren Krieger aus ihm machen kann.« Pinorr deutete an seine Stirn. »Die wahre Waffe des Sieges ist der Geist und nicht das Schwert.«
Mader Geel nickte. »Ich habe schon immer gesagt, dass du weise bist.«
Pinorr lief durch den Raum und suchte Scheschons Sachen zusammen, die sie brauchen würde. »Wann hast du das gesagt?«
Mader Geels Augen funkelten vor Vergnügen. »Nun ja, dir gegenüber habe ich das nie erwähnt. Ein Schamane sollte die Nase nicht zu hoch tragen.«
Er warf ihr einen finsteren Blick zu.
»Nun reicht es aber mit dieser falschen Demut, Pinorr. Du warst schon immer eigensinnig und hartnäckig in deinen Ansichten. Selbst Ulsters Vater fragte sich manchmal, wer die Flotte eigentlich
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