Alasea 03 - Das Buch der Rache
können mit diesen großen Tieren sprechen. Die Leviathane versorgen die Seedrachen mit Frischluft, und im Gegenzug beschützen die Drachen die größeren Kreaturen und helfen ihnen bei der Nahrungssuche. Die Mer’ai wurden in diese Gemeinschaft einfach mit aufgenommen. Die Leviathane beherbergen uns, und als Gegenleistung dafür helfen wir ihnen dabei, sich sauber und gesund zu halten.« Ein schalkhaftes Lächeln umspielte Saag wans Lippen. »Aber ganz sicher bin ich mir auch da nicht mehr. Vielleicht haben wir Mer’ai uns ja früher auch mit diesen Tieren gepaart. Wer weiß schon, welche Vorlieben unsere Urgroßväter hatten?«
Kast wurde rot bei Saag wans freimütigen Äußerungen. »Der Drachenbruder ist nicht mein Vorfahr«, behauptete er standhaft.
»Vielleicht nicht direkt, aber trotzdem, die Ähnlichkeit…«
»Wie Meister Talon schon gesagt hat, es ist wahrscheinlich nur ein Zufall. Die meisten De’rendi sehen sich irgendwie ähnlich.«
»Und die Drachentätowierung?«
Für diesen letzten Punkt hatte Kast allerdings keine Erklärung. Die Männer seines Volkes waren alle mit einem Meerfalken tätowiert und nicht mit einem Drachen. In A’loatal hatte sich Kasts Falkentätowierung durch Ragnar’ks Magik in einen zusammengerollten schwarzen Drachen verwandelt. Ein Abbild davon befand sich auf dem Gemälde des Drachenbruders. Aber Kast verstand nicht, warum.
Saag wan schien sein Unbehagen zu spüren und schnitt ein neues Thema an oder besser gesagt, ein altes Thema: den eigentlichen Grund, warum sie an jenem Morgen den Rat aufgesucht hatten. »Ganz gleich, welche Geschichte nun stimmt, wir sollten jetzt noch einmal darüber nachdenken, wie wir hier herauskommen können, um nach deinem Volk zu suchen. Das Treffen mit den anderen soll in sechs Tagen stattfinden. Selbst wenn wir jetzt sofort aufbrechen, wird es zwei volle Tage dauern, bis wir die Stelle im Kalmengürtel erreichen, wo sie uns erwarten. Die Zeit arbeitet gegen uns, und ich sehe keine Möglichkeit, unsere Aufgabe erfolgreich zu erfüllen, wenn wir nicht gleich auf eigene Faust zu suchen beginnen.« Sie warf einen Blick auf die verschlossene Tür. »Ob nun mit oder ohne Zustimmung des Rates.«
»Du würdest dich dem Rat widersetzen und sogar gegen den Wunsch deiner Mutter handeln?«
Saag wan starrte Kast an. »Wie, glaubst du, kam es dazu, dass wir uns trafen? Glaubst du, ich hatte die Erlaubnis, mit Conch zu den Inseln zu reiten oder die Schiffe zu verfolgen, die ihn schließlich gefangen haben? Außerdem haben Mutter und ich im Laufe der Zeit ein Abkommen entwickelt: Sie gibt mir Befehle, und ich befolge nur die, mit denen ich einverstanden bin.«
»Ich verstehe.« Kast musste sich Mühe geben, um nicht auch ein Lächeln um seine Mundwinkel zucken zu lassen, wie es das Mer’ai Mädchen gerade tat. In ihren Silberaugen schien der Schalk aufzublitzen. »Du meinst also, dass wir versuchen sollten, an die Oberfläche zu flüchten.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Warum nicht? Bist du es nicht auch langsam leid, die abgestandene Luft des Leviathans zu atmen?«
»Ich glaube, ein wenig frische Luft würde mir nicht schaden«, gab er zu, und das Lächeln wurde breiter. Er freute sich schon darauf, wenn der Wind an seinen Haaren zausen und die Gischt des Ozeans ihm ins Gesicht spritzen würde. Er hatte sich schon viel zu lange im Bauch dieses Seeungeheuers einsperren lassen. Er richtete sich auf. »Wenn du bereit bist, dann bin ich mehr als glücklich, endlich von hier fliehen zu können.«
Saag wan fühlte dasselbe wie er und zeigte ihre Freude beim Gedanken an eine baldige Flucht. »Ich könnte mir vorstellen, dass Ragnar’k genauso froh sein wird, wieder einmal seine Flügel ausstrecken zu können.«
Als der Name des Drachen fiel, erstarb Kasts Lächeln. Er hatte vergessen, dass nicht er es sein würde, der mit Saag wan floh, sondern Ragnar’k. Auch wenn sie aus dem Bauch des Leviathans entkamen, Kast würde doch gefangen sein diesmal unter den Schuppen eines riesigen schwarzen Drachen.
Saag wan schien den Stimmungswandel zu bemerken. Sie streckte eine Hand aus und berührte seinen Arm. Kast konnte ihr nicht in die Augen sehen.
»Ich bin nicht wie meine Vorfahren«, sagte sie sanft zu ihm.
»Was meinst du?« brummte er.
»Ich will damit sagen, dass ich die Vorliebe meiner Urahnen für Drachen nicht teile.« Sie drückte seine Hand. »Der Mann, den ich einmal wählen werde, wird nicht mit Schuppen bedeckt sein und Flügel
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