Alasea 03 - Das Buch der Rache
dem Jungen tröstend die Hand auf die Schulter legte, bemerkte er den weißen Stab in dessen Hand. Die dünnen roten Bahnen, die durch das Holz liefen, entgingen ihm nicht. »Joach zeig mir den Stab.«
Joach entzog sich dem Griff des Älteren und verbarg den Stab misstrauisch vor Er’ril. »Warum?«
Er’ril starrte Joach eindringlich an und beobachtete dabei die scharlachroten Streifen, die den Jungen mit dem Stab verbanden. »Schon gut. Meine Frage ist bereits beantwortet.« Im Umdrehen fügte Er’ril noch über die Schulter hinzu: »Ich schlage vor, dass du in Zukunft, wenn du nicht gerade mit dem Stab kämpfst, Handschuhe trägst. Dein Blut ist begrenzt, Junge.«
Er’ril überging Joachs Stirnrunzeln und wandte sich suchend der anderen Seite des Decks zu. Dort fand er Elena, die an der Steuerbordreling hockte. Sie saß mit angezogenen Knien da und hielt die Beine umschlungen, die Stirn hatte sie auf die Knie gelegt. An den bebenden Schultern erkannte Er’ril, dass sie weinte.
Mit schwerem Herzen gesellte er sich zu ihr. Erst als er neben ihr stand, fielen ihm die wallenden, roten Locken auf, die ihr Gesicht verbargen. Die Schuld an Elenas überstürzter Handlung und ihren Folgen war genauso bei ihm zu suchen wie bei dem Mädchen selbst. Neulich in Flints Küche hätte er ihr alle Einzelheiten, die der Zauberbann beinhaltete, erklären sollen. Doch damals hatte er befürchtet, er würde sie damit zu sehr verängstigen. Sie war ohnehin schon genug aufgewühlt gewesen. Er’ril seufzte und beugte sich zu ihr hinunter.
Elena musste ihn kommen gehört haben. Sie hielt den Kopf weiter gesenkt, und ihre Worte wurden von Armen und Haaren gedämpft. »Es tut mir so Leid wegen Moris«, schluchzte sie. »Ich kannte ihn kaum, und doch gab er sein Leben, um mich zu retten. Ich hätte… ich konnte…«
»Nein«, erwiderte Er’ril mit fester Stimme. »Wir haben heute einen guten Menschen und Freund verloren, aber es wäre falsch, würdest du allein die Schuld dafür auf dich nehmen. Wenn du das tust, bringst du Schande und Schmach über unseren Freund. Er hat sein Leben gegeben, um dich zu schützen, und du solltest sein Opfer bereitwillig annehmen. Ehre Moris, indem du anerkennst, was er für dich getan hat und dass ihn nichts davon hätte abhalten können.«
Elenas Schluchzen wurde heftiger. Er’ril ließ sie weinen. Sie hatten noch viel zu besprechen, aber erst musste sie ihrer Trauer freien Lauf lassen. Nach einer Weile ergriff Er’ril erneut das Wort. »Wegen Joach… und des Stabs.«
Elena zuckte bei diesen Worten sichtlich zusammen. Sie schien noch tiefer in sich zusammenzusinken und drehte das Gesicht W eg »Ich dachte, ich hätte keine andere Wahl gehabt«, murmelte sie mit schmerzverzerrter Stimme.
»Wahrscheinlich war es wirklich so. Aber durch deine Entscheidung hatte auch Joach keine Wahl mehr. Die hast du ihm genommen.«
Elena schwieg.
»Verstehst du, was du getan hast?« fragte Er’ril weiter. »Weißt du, was du geschaffen hast?«
Sie nickte, bedeckte jedoch weiter ihr Gesicht. »Ich… ich habe eine Blutwaffe geschmiedet. Wie jene Blutschwerter, von denen du mir erzählt hast. Und… ich habe sie mit Joach verbunden.«
»Ja«, sagte Er’ril. Er war froh, dass sie erkannt hatte, was ihre Magik zu bewirken vermochte. Fast hatte er befürchtet, die Hexe in ihr hätte all die Handlungen gesteuert. »Er ist ein starker Junge, und deine ganze Familie ist schließlich mit Magik ausgestattet. Es besteht immerhin die Möglichkeit, dass er die Waffe durch viel Übung irgendwann einmal unter Kontrolle bringen kann. Noch allerdings handelt er überstürzt und verliert schnell die Beherrschung. Diese Eigenschaften könnten dazu führen, dass ihn die Magik des Stabes einmal ganz gefangen nimmt. Das aber wird die Zeit ans Licht bringen.«
Elena drückte sich an die Reling. »Ich zerstöre meine gesamte Familie.«
Er’ril kniete neben ihr nieder. »Die Freiheit hat ihren Preis.«
»Aber muss meine ganze Familie für die Schulden einstehen?«
Er’ril zog sie in seinen Arm. »Es tut mir Leid, Elena«, tröstete er Sie während er sie festhielt. »Es ist eine schwere Last, aber es ist nicht nur deine Familie, die sie zu tragen hat. Ganz Alasea blutet.«
Sie zitterte in seiner Umarmung und lehnte sich an seine Brust. »Ich weiß«, flüsterte sie, und ihre Stimme klang so hoffnungslos, Er’ril hätte Elena am liebsten für immer so im Arm gehalten und beschützt. So saßen sie schweigend und
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