Alasea 03 - Das Buch der Rache
Knie.
Er’ril wollte sich gerade zur Seite rollen, als er plötzlich entsetzt innehielt.
Moris, der an die raue See des Archipels gewöhnt war, hatte den ruckartigen Stillstand des Schiffes mit einer Hand am Mast problemlos überstanden, doch als Rockenheim stolperte, erfasste ihn dessen Schattenwelle. Der dunkelhäutige Bruder starrte ungläubig ab sich hinunter, als die Schatten sich um seine Beine legten.
Flint machte einen Schritt auf ihn zu.
Moris musste ihn gesehen haben. »Nein! Lauf zum Ruder!« befahl er und hob den Kopf. Seine Stimme klang krank vor Schmerzen. Der dunkelhäutige Bruder erhob das Schwert. »Rette das Schiff! Ich werde diesen Satan töten.«
Doch die Dunkelheit hatte sich bereits tief in seinen Körper gefressen. Das Weiß seiner Oberschenkelknochen blitzte kurz auf, als sich die Schatten für einen Augenblick teilten.
Rockenheim, der noch immer auf den Knien lag, versuchte fortzukriechen, aber Moris baute sich bedrohlich vor ihm auf. Die Schatten fraßen sich jedoch immer tiefer in die stämmigen Beine des Mannes, und der große Bruder fiel wie ein gefällter Baum der Länge nach hin. Das Kurzschwert hielt er währenddessen mit beiden Händen fest, sein Gesicht war eine Maske des Schmerzes. Dennoch konnte die Dunkelheit seiner Willensstärke nichts anhaben. Moris sorgte dafür, dass er auf die am Boden kauernde Gestalt Rockenheims stürzte, die Schwertspitze sorgfältig gezielt.
Rockenheim hob mit einem Schrei auf den Lippen noch den Arm, doch der Verteidigungsversuch blieb erfolglos. Moris’ Schwert traf den Dämon genau in die Brust, und der dunkelhäutige Bruder brach über dem Golem zusammen, woraufhin die Schatten die beiden endgültig verschluckten.
»Moris!« schrie Flint.
Er’ril sprang auf die Füße, als die Schatten sich immer heftiger ineinander verdrehten, sie wirbelten wie Wasser in einen unsichtbaren Abfluss. Ein gellender Todesschrei schallte aus den Schatten und wurde immer schriller und durchdringender, als die Lache der Dunkelheit schrumpfte. Dann, nur einen Atemzug später, war die Dunkelheit eingesogen.
Joach gesellte sich zu den anderen. Keiner sagte ein Wort.
Auf dem Deck lag ein langes, bleiches Skelett, das Kurzschwert noch zwischen den Fingerknochen. Moris.
Alle starrten entsetzt auf das Knochengerüst. Sie waren zu erschöpft, um für ihr Empfinden Worte zu suchen. Die Erleichterung über den Sieg, den sie errungen hatten, kämpfte in ihren Herzen gegen das Entsetzen über den hohen Preis, den sie dafür hatten zahlen müssen.
Joach brach schließlich das Schweigen mit einem leisen Gebet. »Süße Mutter, nimm unseren Freund sicher an deinen Busen.«
Er’ril fand keine Worte. In ihm wüteten Zorn und Gram. Wie viele von diesen guten Kriegern mussten noch sterben, bevor Alasea frei sein konnte?
Flint bückte sich und berührte das Skelett. Er fasste ehrfürchtig an den weißen Schädel und las etwas Silbernes vom Deck auf. Dann hielt er Joach die geöffnete Hand hin. Der Junge nahm das Geschenk an sich.
Er’ril starrte auf den Silberstern in Joachs Hand. Es war Moris’ Ohrring, das Symbol seines alten Ordens.
»Er hätte gewollt, dass du ihn bekommst«, meinte Flint mit brüchiger, rauer Stimme.
»Ich werde ihn in Ehren tragen.«
Flint wischte sich übers Gesicht, dann richtete er sich auf. In seinen Augen glänzten Tränen. »Ich muss das Schiff überprüfen«, sagte er zu Er’ril. Das Schiff hatte nun schon deutlich Schlagseite bekommen.
Er’ril nickte, er spürte, dass der alte Mann ein paar Minuten allein sein wollte. Er hatte an diesem Tag einen treuen Freund verloren, und so manche Trauer musste man allein tragen.
Als Flint gegangen war, deutete Joach auf das Skelett. »Was ist mit Rockenheim? Wo sind die Knochen des Golems abgeblieben?«
Er’ril erinnerte sich an den gequälten Schrei, der verklungen war, als sich die Schatten verzogen hatten. »Ich weiß nicht. Ich befürchte fast, dass er auch diesmal dem Tod wieder entronnen ist.«
»Dann war Moris’ Opfer vergeblich.«
»Nein, sein Angriff, der zwar nicht tödlich für den Gegner endete, vertrieb zumindest den Unmenschen von unserem Schiff. Ich glaube nicht, dass wir noch einen weiteren Magik Ansturm überstanden hätten.«
Joach nickte. In der zusammengepressten Faust hielt er den Silberstern. »Das nächste Mal«, zischte der Junge mit so viel Hass in der Stimme, dass Er’ril erschauderte, »werde ich ihm das Herz eigenhändig aus der Brust reißen.«
Als Er’ril
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