Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
stets mehr als der Arm.«
Er’ril überhörte den Tadel. »Aber Elena hat sie zur Ordnung gerufen. Morgen soll sie dem Kriegsrat einen Plan vorlegen einen Plan, dem alle folgen werden.«
Elena schaltete sich rasch ein. »Bevor ich eine Entscheidung fälle, wollte ich euren Rat einholen. Ich weiß, Cho wünscht, dass wir den Kampf gegen den Großen Gul’gotha unterbrechen und zuerst nach ihrem Bruder Chi suchen, aber wir dürfen den Herrn der Dunklen Mächte nicht einfach außer Acht lassen, sonst ist alles verloren.«
»Das ist wohl richtig«, sagte Tante Fila. »Manchmal allerdings können zwei Ziele zu einem werden.«
Elena nickte. Erst vorhin hatte sie etwas dergleichen zu Merik gesagt. »Aber wir haben von Chi nichts gehört. Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass der Geist vor fünfhundert Jahren aus dieser Welt verschwand, als Alasea an den Herrn der Dunklen Mächte fiel.«
»Er ist nicht verschwunden«, erklärte Tante Fila entschieden. »Ich bin im Geiste mit Cho vereint. Ich fühle, was sie fühlt, und so habe auch ich ihren Bruder vernommen. Seine Schreie hallen durch die Leere. Er ist noch hier.«
»Aber wo?« fragte Er’ril. »Wo sollen wir mit der Suche beginnen?«
Tante Fila wurde nachdenklich. »Ich habe herauszufinden versucht, woher Chis Schreie kommen, aber es war vergeblich. Ich empfange nur Schmerzensäußerungen und gelegentlich Fetzen von Träumen Albträumen, um genau zu sein. Sie handeln von seltsamen Wesen, die Chi angreifen und in Stücke reißen wollen. Groteske Gestalten, Zerrbilder. Ein Löwenhaupt auf einem Adlerkörper. Ein Og’er mit dem Schwanz eines Skorpions.« Tante Fila schüttelte den Kopf. »Reiner Unsinn. Wie Albträume eben sind.«
Er’ril trat so hastig vor, dass er fast gestolpert wäre. »Ein Löwenhaupt auf einem Adlerkörper? Ein geflügelter Löwe.« Er’ril sah Elena an. »Ein Greif!«
Elena stockte der Atem, sie riss die Augen weit auf.
Er’ril wandte sich der Mondsteinstatue zu. »Hast du in diesen Träumen auch einen großen schwarzen Vogel gesehen, eine geflügelte Echse mit einem Hakenschnabel?«
Tante Fila runzelte die Stirn. »J ja. Auch das war eines von den seltsamen Fabelwesen, die Chi in seinen Träumen gefangen hielten und misshandelten.«
»Süße Mutter, das war kein Traum.« Er’ril schlug die Hände vor das Gesicht. »Die Antwort lag die ganze Zeit vor meiner Nase.«
»Was für eine Antwort?« fragten Elena und Fila wie aus einem Munde.
Er’ril ließ die Hände sinken und sah sie beide an. »Die Worte des Dunkelmagikers Greschym, als er mir von den Schwarzsteintoren erzählte.«
»Was für Tore meinst du?« fragte Fila.
»Wehrtore«, erklärte Elena. »Portale zur Macht.« Sie bat Er’ril mit einer Handbewegung, Fila das Ganze näher zu erläutern.
Er nickte. »Der Herr der Dunklen Mächte hat mithilfe der Zwerge vier schreckliche Schwarzsteinstatuen geschaffen. Sie wurden mit Blut getauft und hatten die Fähigkeit, alle Magik an sich zu ziehen, ob mit oder gegen ihren Willen. Sie konnten sogar eine Person verschlingen, deren Geist genügend mit Magik gesättigt war. Eines Tages, so berichtete Greschym, stürzte etwas Merkwürdiges in eines der Tore, aber es war so groß, dass eine einzelne Statue es nicht zu halten vermochte. Deshalb griff es auf alle vier über, fesselte sich damit selbst und schweißte die Tore zusammen. So entstand das Wehr, der Quell, aus dem sich die Macht des Herrn der Dunklen Mächte speist.« ’Er’ril schloss gequält die Augen, tiefe Falten gruben sich in sein Gesicht. »Jetzt wird mir alles klar. Chis Verschwinden aus Alasea und der Aufstieg des Großen Gul’gotha gehören zusammen. Wie konnten wir nur so blind sein?«
»Was willst du damit sagen, Er’ril?« fragte Elena.
Er’ril schlug die Augen wieder auf. Tiefes Entsetzen sprach aus seinem Blick. »Das Wehr ist Chi. Die beiden sind eins. Chi stürzte in die Tore und war gefangen. Seither zehrt der Herr der Dunklen Mächte wie ein unersättlicher Blutegel von Chis Macht.«
Elena wankte wie unter einem Schlag. »Die schwarze Magik des Herrn der Dunklen Mächte soll die ganze Zeit Chi gewesen sein?«
»Ja.« Er’rils Stimme verriet, wie verzweifelt er war.
Elena trat einen Schritt zurück. Der Schock hatte ihr die Sprache verschlagen. Das Buch des Blutes hielt sie immer noch in Händen. Sie starrte durch seine Seiten in die endlose Leere und glaubte darin das Wogen des Schicksals zu spüren. »Dann wissen wir jetzt auch, was wir zu
Weitere Kostenlose Bücher