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Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Titel: Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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den Stein ein und verschmolz mit ihm, ohne Wellen zu schlagen. Rasch drang er entlang der kreuz und quer stehenden Wände tiefer in die Privatgemächer seines Vaters vor. Gedämpfte Stimmen kamen näher.
    In der Badestube fand er schließlich, was er suchte. Der Raum war in dichten Dampf gehüllt, der die Grenze zwischen dem Granit und dem eigentlichen Gemach verwischte. Tyrus bewegte sich mit größter Vorsicht und spähte angestrengt durch die Schwaden.
    Im Zentrum befand sich eine große, in den Boden eingelassene Wanne. An ihrem Rand kniete, die Mütze in der Hand, ein stämmiger Zwerg. Mit seiner breiten Nase und den dicken Lippen sah er aus wie eine fette Kröte, die vor einem Teich hockte. »Alles ist bereit. Der Schacht unter der Zitadelle wurde vorgetrieben, und der Raum unter dem Amov See ist fertig.«
    »Und was ist mit der Greifenstatue, Hauptmann Brytton?« kam es aus der Wanne. Der Sprecher lag im heißen Wasser. Der Dampf verhüllte seine Züge, aber die Stimme klang eindeutig weiblich, ein melodischer Singsang mit einem deutlich drohenden Unterton. »Was ist mit dem Wehrtor?«
    »Es wurde an seinen Platz in der Zitadelle zurückgebracht. Wir warten nur noch auf den nächsten Vollmond, dann kann der abschließende Schritt erfolgen.«
    »Gut.« Die Gestalt rutschte tiefer in die Wanne. »Ich fand es ziemlich töricht, dass der Stellvertreter des Herrn der Dunklen Mächte ausgerechnet in diesem kritischen Moment den Greifen bestieg, um ein paar im Wald verirrte Elementarmagiker zu jagen.«
    »Die Stunde naht, und deshalb ist das Schwarze Herz besonders auf der Hut.«
    »Oder derjenige mit Namen Schorkan. Ein Unhold mit verbrannter Haut, der alle Tore bewacht, zwischen ihnen hin und her schießt wie eine Ratte, der man den Schwanz verbrüht hat, und überall seine Nase hineinsteckt. Wenn die Unseren Wache stehen, hat der Norden nichts zu befürchten. Unser Standort ist sicher.« Die Gestalt seufzte. »Dennoch war die Gefangennahme des Prinzen des Nordwalls ein Glücksgriff. Und da der Greif wieder an seinem Platz ist, läuft alles nach Plan. Nichts ist verloren, dafür alles gewonnen.«
    »Doch der Prinz ist noch nicht wieder zu sich gekommen.«
    »Dann wollen wir hoffen, dass sein Wille stark genug ist, um die Begegnung mit dem Wehr zu überstehen. Könnte er für unsere Sache gewonnen werden, so kämen seine Fähigkeiten als Wahrsager unserem Herrn und Meister sehr zugute.«
    »Schon, aber was soll mit seinen Gefährten im Verlies geschehen?«
    Die Gestalt in der Wanne veränderte ihre Lage. »Sie sind Späne für unser Feuer. Wir werden sie foltern, um mit ihren Qualen den jungen Prinzen nach unseren Wünschen zu formen. Er soll uns nicht so entgleiten wie sein Vater.« Sie glitt tiefer in die Wanne hinein. »Obwohl eigentlich auch in dieser Angelegenheit nicht nur Nachteile zu verzeichnen sind. Ich fühle mich in diesem Körper inzwischen recht wohl. Ich hatte die Freuden des Fleisches bereits vergessen. Freuden wie dieses Bad … und einen guten Wein.« Eine Hand, kaum zu erkennen hinter den dichten Schwaden, griff nach einem Glas mit blutrotem Inhalt. Die Gestalt trank einen Schluck, ließ ihn auf der Zunge zergehen, setzte das Glas wieder ab und stand auf.
    Durch die jähe Bewegung geriet der Dampf heftig in Wallung. »Wenn der Prinz erwacht, werden wir ihn unserem Willen unterwerfen. Was beim Vater scheiterte, wird beim Sohn gelingen.«
    Dann teilten sich die Schwaden, und die Gestalt stieg aus der Wanne. Sie war nackt. Über die breite Brust fiel ein schneeweißer Bart, der zu der femininen Stimme in krassem Widerspruch stand.
    Tyrus keuchte auf und streckte die Arme aus der Wand, ohne zu bedenken, dass er sich damit verriet. »Vater!«
    Die beiden Anwesenden fuhren erschrocken herum.
    Tyrus zog sich in den Granit zurück, bevor er entdeckt werden konnte.
    »Hast du eben nichts gehört?«
    Der Zwerg nickte. »Doch.« Seine langen Ohren zuckten. »Einen gedämpften Aufschrei. Vielleicht von nebenan.«
    »Sieh nach!«
    Der Zwergenhauptmann eilte davon.
    Die nackte Gestalt ging zur Wand und blieb dicht davor stehen. Dann hob sie die Hände und befühlte die Oberfläche. Tyrus verharrte reglos eine halbe Armlänge entfernt im Stein und studierte eingehend das Gesicht seines Vaters. Um diesen Mann hatte er zehn Jahre lang getrauert. Wie gern hätte er die Arme ausgestreckt, um ihn nun an sich zu drücken, aber er wusste nur zu gut, dass das nicht mehr König Ry war. Zu kalt waren die Augen, nur das

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