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Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Titel: Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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Und er hatte ganz deutlich die Wahrheit in ihren Worten gespürt. Er hielt das Gesicht weiter nach Norden und überließ es dem kalten Wind, die Tränen auf seinen Wangen zu trocknen.
    Ragnar’k musste sterben.
    Mit einem Mal befiel ihn eine so tiefe, so ausweglose Verzweiflung, dass er an allen Gliedern zitterte. Zunächst führte er das Gefühl auf die Entscheidung zurück, die er getroffen hatte, doch dann spürte er eine wachsende Bedrohung, die ihn umschlang wie die Arme eines Dämons. Von unten gellte ein Schrei durch die Planken.
    »Saag wan!«
    Aus der Takelage und von den unteren Decks waren erschrockene Stimmen zu hören. Die Aufmerksamkeit des Kapitäns ließ für einen Moment nach, das Schiff geriet ins Stocken.
    Kast fuhr herum. Scheschon stand hinter ihm und hielt ihm eine halbfertige Schnitzerei aus Fischbein entgegen. Ohne zu überlegen, griff er zu. Es war ein primitives Segelschiff mit ausgeprägtem Kiel, aber irgendetwas daran wirkte unheimlich. In die Seitenwände waren grobe Gesichter geschnitzt, grässliche Fratzen der Angst und der Bosheit.
    »Ein Knochenschiff«, sagte Scheschon.
    Saag wans Schrei verklang, das Zittern hörte auf. Das Boot lief wieder ruhiger, und Kast nahm sich zusammen. »Fischbein«, nickte er. »Weiße Knochen.« Damit reichte er ihr das Boot zurück.
    Aber Scheschon würdigte ihr Werk keines Blickes. »Nicht das!« sagte sie und deutete auf das Meer hinab. »Da unten!«
    Kast folgte ihrem Finger. Auf dem dunkelblauen Wasser schwamm ein grellweißes Boot, das so aussah, als hätte man es aus den schwärzesten Tiefen der See gefischt. Und es raste mit einer Geschwindigkeit dahin, die weder Wind noch Strömung rechtfertigten. Es schien, als hätte der Ozean selbst das kranke Gebilde ausgespien und jagte es nun nach Norden, um es loszuwerden.
    Kast runzelte die Stirn und nahm das Fernglas von seinem Gürtel, um sich das sonderbare Schiff genauer anzusehen. Sobald er es vor der Linse hatte, überzog eine eisige Gänsehaut seine Arme und seinen Nacken. Da war der Auslöser für das Grauen, das ihn eben noch geschüttelt hatte. Dieses Boot wurde nicht vom Wind getrieben, sondern von Angst und Entsetzen, und es war ihnen so nahe gekommen, dass sie in sein Kielwasser geraten waren.
    Es war ein monströses Gebilde. Der Bug war ein Skelett, das seine Knochenarme flehentlich oder von Schmerzen gepeinigt zum Himmel streckte. Die Seiten bestanden nicht aus Holzplanken, sondern aus miteinander verschmolzenen Knochen und Totenschädeln. Sogar die geflickten Segel wirkten zu derb, um aus Tuch zu sein. Haut war das Wort, das einem in den Sinn kam, und dieser Eindruck wurde noch durch die roten Rinnsale verstärkt, die an den Leinen entlangflossen wie Blut.
    »Ein Knochenschiff«, murmelte Kast.
    Scheschon streckte die Hand aus. »Da unten ist Hant! Komm, lass uns nachsehen, wie es ihm geht!«
    Tyrus stand dem Stein Magus in seinem staubigen Keller gegen über. »Raal?«
    Die Gestalt drehte sich vollends zu ihm um. Die Augen wurden schmal, die Lippen verzogen sich zu einem sarkastischen Grinsen »Willkommen im Herzen meines Reiches.« Eine spöttische Verbeugung. »Zwei versteinerte Fürsten unter sich.«
    »Ich begreife das nicht.«
    Die Statue richtete sich auf und fuhr sich mit der Hand über den Körper, wie um ihre Kleidung glatt zu streichen. »Magus und König, Mensch und Fai ne teilen sich diesen steinernen Kerker.«
    Tyrus erholte sich allmählich. »Du bist ein und dieselbe Person!«
    »Zwei Seelen, ein Leib.«
    Tyrus musste unwillkürlich an Ferndal und Mogwied denken. Die Zwillinge hatten ein ähnliches Schicksal. »Die Magik …«
    »Sie hat nicht nur entstellt, sondern auch neu geformt. Der Bann, der die Seele des Magus in seinen Steinkörper zurückzwang, hat auch mich mit eingeknetet wie Hefe in einen Brotteig.«
    »Und warum hast du so lange gewartet, um zum Vorschein zu kommen?«
    »Das war nicht meine Entscheidung.« Die Bitterkeit in diesen Worten klang vertraut. »Der Magus lässt mich nur heraus, wenn er so tief in seinem schwarzen Schacht versunken ist, dass es mir gelingt, an ihm vorbei an die Oberfläche zu gleiten.«
    »Könnte ich denn jetzt mit ihm sprechen? Kann der Magus mich hören?«
    »Nur, wenn ich es erlaube! Zurzeit beherrsche ich den Körper.« Ein Lachen quoll über die Steinlippen. »Und ich erlaube es nicht.« Er hielt sich mit seinen Steinhänden die Ohren zu. »Der Schläfer soll schlafen!«
    Tyrus beobachtete den Auftritt mit nachdenklich

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