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Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Titel: Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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gerunzelter Stirn. Bei aller Ähnlichkeit mit Mogwieds und Ferndals Situation war diese Beziehung doch eine deutlich andere und außerdem spürte er eine Unstimmigkeit. Er hörte hinter dieser Persönlichkeit immer noch den Magus sprechen. Lag das nur daran, dass der Steinkehle stimmliche Grenzen gesetzt waren, oder steckte etwas Unheimlicheres dahinter? Und eben hatte Raal ihn noch beim Namen genannt und ihn als Prinz begrüßt. Das konnte dieser Geist nur wissen, wenn er Ohren und Bewusstsein mit dem Magus teilte.
    Auch kleinere Eigenheiten kamen ihm bekannt vor: Der Blick des Stein Magus huschte jedes Mal, bevor er etwas sagte, kurz nach links, und beim Sprechen bog und streckte er unentwegt die Finger einer Hand. Diese Verhaltensweisen zeigte auch Raal. Waren die beiden wirklich verschieden? Waren sie zwei Seelen in einem Körper, oder hatte sich eine Seele in zwei Persönlichkeiten gespalten?
    »Komm mit. Ich habe so lange keines von meinen Kindern mehr gesehen. Nun möchte ich wissen, wie es ihnen in meiner Abwesenheit ergangen ist.« Raal stapfte mit seinen schweren Steinfüßen zur Tür und blieb nur kurz stehen, um die Fackel von der Wand zu nehmen.
    Tyrus blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Raal ging auf die Wendeltreppe zu, hob die Fackel und rief: »Ihr Fai ne, kommt zu eurem König! Wir haben einen Gast in unserem bescheidenen Heim!«
    Jenseits des Fackelscheins ertönte Gelächter. Ein Steinchen rollte die Stufen herab, ein zweites.
    »Da sind sie«, flüsterte Raal und strahlte über das ganze Gesicht. »Meine Kinder …«
    Hinter seiner Erregung hörte Tyrus etwas vom Schmerz des Magus, aber seine Aufmerksamkeit war mehr auf die Treppe gerichtet. Dort trat soeben der erste der Fai ne zaghaft ins Licht.
    Tyrus starrte ihn ungläubig an.
    Das Wesen war nicht mehr als zwei Handspannen groß, grauhäutig und völlig unbehaart. Es ging auf zwei Beinen wie ein Mensch, aber seine Gelenke zeigten nach hinten wie bei einem Vogel. Der Kopf bestand vor allem aus zwei schwarzen, feuchten Augen. Der Mund war nur ein lippenloser Schlitz.
    Dahinter drängten sich viele andere: einige spindeldürr mit zu großen Köpfen, andere von gedrungenem Körperbau mit Krötengesichtern, manche aufrechtgehend, andere auf allen vieren kriechend. Ein Paar teilte sich sogar den einen Arm. Doch bei aller Vielfalt hatten sie samt und sonders die gleichen großen, schwarzen Augen, den gleichen boshaften Blick.
    Raal kniete nieder und begrüßte seine Sprösslinge. Sie fielen über ihn her wie die Ratten über einen Leichnam, kletterten an seinen Steinarmen hinauf und hockten sich auf seine Schultern oder seinen Kopf. Raal lachte, und hunderte von winzigen Kehlen antworteten mit schriller Heiterkeit.
    Tyrus wich zurück, um nicht mit ihnen in Berührung zu kommen.
    Raal tauchte aus der fahlgrauen Flut auf. »Ihr Vater ist heimgekehrt.«
    Beunruhigt sah Tyrus immer neue Fai ne in den dunklen Keller strömen. »Hast du sie alle erschaffen?«
    »Mit meinen eigenen Händen und meiner eigenen Magik.«
    Er musste Jahrhunderte dazu gebraucht haben. Einer der Fai ne hatte sich an Tyrus herangeschlichen. Er hatte nur ein Auge. Neugierig, aber auch misstrauisch reckte er den Hals, um den granitenen Fremden zu beschnuppern. Dann schob er sich auf seinen Fuß, schlug ihm die Klauen in das versteinerte Fleisch und kletterte schneller, als das Auge folgen konnte, an seinem Bein empor bis zur Hüfte.
    Tyrus zuckte zusammen. Das Wesen fuhr fort, ihn zu beschnuppern. Es wusste sichtlich nicht, was es von ihm zu halten hatte. Tyrus fasste es mit der Hand und zog es weg. Es zischte empört, schnappte nach seinen Fingern und biss ihn tief in den Granitdaumen. Es tat weh. Offenbar war das Granitfleisch für die Fai ne nicht unangreifbar. Sie waren aus dem giftigen versteinerten Holz entstanden, und Stein war durch Stein zu zerstören.
    Tyrus schleuderte das Wesen zwischen seine Artgenossen, wo es in dem Gewimmel aus Armen und Beinen verschwand, und drückte sich den verletzten Daumen an die Brust. Ein einziger Blutstropfen fiel zu Boden. Einer der Fai ne schnupperte daran und leckte ihn auf.
    Blutsauger.
    Tyrus wich noch einen weiteren Schritt zurück. Unter den vielen hundert Fai nen gab es keine zwei, die genau gleich gewesen wären. Das wogte und zappelte, als hätten die Wahnvorstellungen eines Irren Gestalt angenommen.
    Tyrus wollte schier verzagen. Wie sollte er den Magus oder Raal dazu bewegen, ihm zu helfen? Er sah alle Hoffnungen

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