Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
Elena.
Harlekin nickte bedächtig. »Den Pfad der Toten.«
»O …« Elena stolperte.
Er’ril legte den Arm um sie. »Das ist nur ein Name, er hat weiter nichts zu bedeuten.« Doch er wusste genau wie sie, was am Ende dieses Tunnels lag. Entweder würden sie die Pforte verseuchen, oder sie würden sie öffnen und welches von beidem wäre schlimmer?
Elena und Er’ril kannten Tol’chuks Geschichte. Sie wussten, was sie hinter dem Ring aus Herzstein im Kern der Welt erwartete. Doch keiner wollte den Namen laut aussprechen.
Svesa’kofa.
20
Mogwied war in seiner dunklen Zelle gefangen und schaute durch Ferndals Augen in die Welt. Den ganzen Tag lang beobachtete und belauschte er schon, was draußen vorging …
Und nun waren sie auf dem Weg zur Geistpforte!
Aufmerksam verfolgte er den Weg. Schon seit Tagen hatte er versucht Tol chuk zu überreden, ihm den Herzsteinbogen zu zeigen, aber der Og’er hatte immer abgelehnt, weil er nicht gewagt hatte, den Schwarzsteinklumpen in die Nähe der Pforte zu bringen. Jetzt waren sie endlich dorthin unterwegs, und Mogwied saß in Ferndals Kopf und war zur Untätigkeit verdammt.
Er verfluchte sein Pech mit aller Inbrunst.
Der Schlüssel zur Freiheit lag in Reichweite. Er rief sich die Botschaft in Erinnerung, die ihm der Herr der Dunklen Mächte aus der Schwarzsteinschale zugerufen hatte: Du musst die Geistpforte zerstören … Das Blut meines letzten Abkömmlings wird sie zerschmettern. Mogwied schaute an Merik und Ni’lahn vorbei. Tol chuk schritt mit erhobener Fackel vorneweg und leuchtete ihnen.
Mit Tol’chuks Blut konnte sich Mogwied die Freiheit erkaufen. Er brauchte den Og’er nur an der Pforte zu töten dann würde der Herr der Dunklen Mächte den Fluch von ihm nehmen. Natürlich gab es noch einen weiteren Preis zu entrichten.
Wir werden dir den Wolf aus dem Herzen brennen …
Das war das letzte Opfer Ferndals Leben. Dem Herrn der Dunklen Mächte zufolge konnte nur einer den Fluch überleben. Ein Körper, eine Seele.
Konnte er auch diesen Schritt noch tun? Die Frage belastete ihn schon seit Tagen. Mit einem Mal fand er seine Gefangenschaft gar nicht mehr so schrecklich. Solange er in Ferndals Schädel festsaß, brauchte er sich nicht zu entscheiden. Vorerst genügte es, zu beobachten, den Befreiungsschlag konnte er auch später planen, wenn er nicht mehr so sehr von Konflikten zerrissen war.
Zufrieden mit diesem Entschluss, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Welt vor Ferndals Augen zu. Doch für seinen Geschmack war sein Bruder viel zu sehr mit seiner Begleiterin mit dem schneeweißen Haar beschäftigt, die er ständig verstohlen von der Seite beäugte.
Dorn, die Tochter des Stammesvaters, schritt voller Anmut durch den Tunnel. Mogwied spürte die wölfischen Begierden seines Bruders. Wenn er ihren Duft aufnahm, bebten seine Nasenflügel, sein Herz pochte, und das Blut rauschte ihm in den Ohren.
Dorn, im Herzen selbst eher Wolf als Mensch, war sich ihrer Wirkung auf Ferndal durchaus bewusst. In ihren Augen glühte eine stumme Botschaft, und in Ferndals Kopf entstanden Worte, die auch Mogwied hören konnte. Ich muss mit dir sprechen … Ich habe dir etwas zu sagen …
Mogwied versank in der Flut ihrer Gefühle: Angst, Zorn, Scham, Sehnsucht und etwas von der gleichen Begierde, die er an Ferndal wahrnahm.
»Worum geht es?« fragte Ferndal laut und schroff. Sein Zorn machte ihn offensichtlich blind für die Tiefe von Dorns Empfindungen.
Mogwied musste lächeln. Ein Liebespaar, das nicht über die Lippen brachte, was es bewegte. Er weidete sich an ihren Qualen. Ferndal hatte es noch immer nicht verwunden, von Dorns eigenem Vater aus den Westlichen Marken verbannt worden zu sein. Ferndal hatte sie damals angefleht, mit ihm zu kommen, aber sie hatte sich geweigert und sich von ihm abgewandt.
Dorn spürte Ferndals Groll und geriet ihrerseits in Rage. Ihre Augen leuchteten heller durch den dunklen Tunnel, als sie in der Geistsprache fortfuhr: Es geht um etwas, was ich dir schon früher hätte sagen müssen. Du hast ein Recht, es zu erfahren.
Ferndal schwieg. Sein Zorn lähmte ihm die Zunge, und sein gekränkter Stolz hinderte ihn, die Verbindung über die Geistsprache zu suchen.
Dorn war nicht mehr zu halten. Dass ich damals nicht mit dir die Wälder verließ, hatte einen triftigen Grund. Sie senkte den Blick und sagte laut: »Ich wollte es … Ich wollte es wirklich aber du hast mir keine andere Wahl gelassen.«
»Ich?« rief Ferndal so laut,
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