Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
von mir wichtige Dinge erfahren, dafür möchte ich dich um etwas bitten.« Er senkte den Kopf. »Vergib mir meine Fehler, und gestatte mir, dir zu dienen. Lass mich Auge und Ohr für dich sein. Ich kenne die Stärken und Schwächen der anderen … so wie sie die deinen kennen«, fügte er hinzu, um das Eisen zu schmieden, solange es heiß war. »Ich kann dir Einblick in ihre Herzen gewähren. Als Gegenleistung verlange ich nicht mehr, als dass du mich aus der Enge dieses fleischlichen Käfigs befreist.«
Lange blieb es still, aber Mogwied wusste, dass er nicht allein war. Endlich ließ sich die frostklirrende Stimme wieder vernehmen. »Dann stelle deinen Eifer unter Beweis. Zeige mir, wo die Hexe am schwächsten ist.«
Mogwied überlegte fieberhaft. Er brauchte eine überzeugende Antwort. Und obwohl er sich lieber mit Lügen aus der Affäre gezogen hätte, war ihm klar, dass er ein Quäntchen Wahrheit darunter mischen musste. »Am schwächsten ist sie da, wo alle Frauen schwach sind«, sagte er nach kurzer Pause. »Am schmerzlichsten triffst du sie, wenn du nicht gegen sie selbst vorgehst. Es gibt eine Möglichkeit, sie mit weniger Aufwand zu vernichten.« Er wartete mit angehaltenem Atem.
»Und wie?« fragte die Stimme mit beißender Schärfe.
»Sind wir uns einig?« drängte Mogwied. »Meine Geheimnisse gegen meine Freiheit?«
»Zuerst eine Kostprobe, Maus. Beantworte meine Frage; dann verhandeln wir. Wo liegt die Schwäche der Hexe?«
Mogwied zögerte noch einen Atemzug länger und diesmal spielte er kein Theater. Es fiel ihm tatsächlich schwer, diese Grenze zu überschreiten.
»Sprich oder stirb! Wo liegt ihre Schwäche?«
Mogwied senkte den Kopf. »Er’ril … der Präriemann vom Stamme der Standi. Er ist ihr einziger Halt. Stürze ihn, und du schlägst der Hexe eine Wunde, die nie mehr heilt.« Mogwied spürte, wie sich ein schwarzes Geschwür in seine Seele fraß kein Werk des Herrn der Dunklen Mächte, sondern seine eigene Schuld. Er hatte die Grenze überschritten, es gab kein Zurück mehr.
»Der Bruder meines Leutnants …«, zischte die Stimme aus dem Nebel.
Mogwied verstand nicht gleich, doch dann fiel ihm wieder ein, dass der Magiker Dämon Schorkan der Bruder des Präriemannes war. »Damit habe ich dir eine Kostprobe meines Wissens geliefert«, fuhr er fort. »Einen Beweis dafür, dass dir ein Paar Augen und Ohren in der Umgebung der Hexe von Nutzen sein können.«
Das Nebelnetz öffnete sich, die schwarzen Fäden schwebten in die Schale zurück. Die Stimme sprach: »Du hast uns Stoff zum Nachdenken gegeben. Dafür darfst du noch einen Tag unter den Lebenden weilen. Willst du jedoch aus deinem Käfig entkommen, dann musst du einen höheren Preis entrichten.«
Mogwied fluchte innerlich. Laut sagte er nur: »Was verlangst du? Ich bin zu allem bereit.«
»Wir brauchen nicht nur Augen und Ohren … wir brauchen auch Hände.«
Mogwied runzelte die Stirn. »Wie soll ich das verstehen?«
Anstelle einer Antwort gebar die Finsternis über der Schale ein schwarzes Gebilde. Mogwied betrachtete es mit Entsetzen. In der Vertiefung lag eine schwarze Kugel, ein Ei in einem Nest des Bösen. Es war so groß wie zwei Fäuste, die glänzende Oberfläche war von silbrigen Adern durchzogen. Schwarzstein.
Mogwied wusste, was er vor sich hatte. Er hatte von den Schwarzsteineiern in A’loatal und von den abartigen Geschöpfen gehört, die in den Verliesen der Burg aus dem Gelege geschlüpft waren, und er wusste, was mit Hant und Saag wan geschehen war. Dieses Ei war ein kleinerer Bruder jener anderen.
»Was soll ich damit?« fragte er in die Nacht hinein.
Das Ei dämpfte die Worte, die aus der Schale drangen. »Nimm die Saat, und pflanze sie dorthin, wo wir es dir sagen.«
Mogwied vermutete, dass dieses kleine Ei eine Tentakelbestie enthielt. Womöglich war der Inhalt auch noch schrecklicher. Er erschauerte schon, wenn er es nur ansah. Für wen mochte es bestimmt sein? Bei ihrer letzten Unterredung hatte der Dämon in der Schale für Mogwieds Freiheit Tol’chuks Leben gefordert. Ob das noch immer der Preis war? »Wohin soll ich die Saat pflanzen?«
Als Mogwied die Antwort hörte, fuhr er zurück und rang nach Atem. Der Name ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Jetzt wünschte er, es wäre nur Tol chuk gewesen. »Warum?« fragte er. »Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Meine Gründe gehen dich nichts an, kleine Maus. Du hast nur zu gehorchen. Lauf und tu, was man dir sagt, nur so findest du den Weg
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