Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
zu Boden und wälzten sich im Schlamm.
Anderswo quollen Schnecken, so groß wie umgestürzte Bäume, aus ihren unterirdischen Bauen. Jeder Regentropfen verzischte auf ihrer ölig glänzenden Haut und wurde zu giftigem Dampf. Sie hatten wurmförmige Anhängsel, die rasend schnell zuschlugen und alles Fleisch, das sie berührten, bis auf den Knochen wegbrannten. Er’ril sah, wie sich ein solches Scheusal über einen verletzten Og’er schob und die Beine des Mannes einfach zerfraß.
Die heiseren Schreie von unten übertönten das Donnergrollen hinter dem Horizont. Es ging zu wie in einem Schlachthaus. Er’ril ließ angewidert sein Fernglas sinken. Er ertrug es nicht länger, ohnmächtig zusehen zu müssen.
Trotz aller Fährnisse drängten die Og’er unaufhaltsam vorwärts. Jeder einzelne Schritt wurde mit Blut bezahlt. Er’ril umklammerte die Reling und wünschte verzweifelt, ihnen etwas von seinen Kräften hinunterschicken zu können.
»Allein werden sie es nie schaffen«, sagte Tol chuk neben ihm.
Er’ril verstand. Der Rand der Grube war noch eine volle Meile entfernt.
»Sie sind aber nicht allein!« rief Ferndal in wildem Stolz und deutete auf den Himmel.
Vor den Wolken flatterte wie ein Vogelschwarm das Si’lura Heer. Die geflügelten Streiter machten alle zugleich kehrt, stießen auf das Schlachtfeld herab und griffen, die Wucht des Sturzflugs ausnutzend, mit Krallen und Schnäbeln an.
Wieder hob Er’ril sein Fernglas. Das Blut rauschte ihm in den Ohren. Ein Steinadler raste auf den Og’er zu, der immer noch mit dem schwarzen Insektenwesen kämpfte. Der Vogel war so schnell, dass Er’ril ihn kaum zustoßen sah. Erst als der Chitinkopf aus seinen Krallen fiel, begriff er, was geschehen war. Der Og’er schüttelte, blutüberströmt und mit lautem Gebrüll, das enthauptete Ungeheuer ab.
Jetzt regnete für die heimtückischen Angreifer der Tod vom Himmel. Allmählich wendete sich das Schlachtenglück. Die Og’er hieben sich mit ihren Keulen den Weg frei und machten Boden gut. Beide Heere drängten auf die Grube zu.
Er’ril senkte das Glas und starrte auf das Loch im Hochland. Dies war nur ein Vorgeplänkel gewesen. Was sie sonst noch erwartete, verbarg der wirbelnde schwarze Rauch.
Er schaute die Reling entlang. Tol chuk stand bei Magnam. Merik neben Ni’lahn. Ferndal an Dorns Seite. Alle wirkten gleichermaßen müde und verängstigt.
Joach und Harlekin stiegen, gefolgt von Jaston und dem Sumpfkind, aus einer Luke an Deck. Joach winkte Er’ril zu sich. »Wir haben da einen Plan entworfen …«
Er’ril unterbrach ihn. »Wo ist deine Schwester?« Elena war mit ihrem Bruder weggegangen, und er hatte geglaubt, Joach wäre noch bei ihr.
Joach sah sich auf dem regennassen Deck um. »Ich … ich dachte, sie ist hier oben. Ich habe sie zuletzt in ihrer Kabine gesehen.«
Mit einem Mal klopfte Er’ril das Herz bis zum Hals. Die Hörner hätten sie doch sicher an Deck gelockt. Er verwünschte seine Nachlässigkeit. Hastig drängte er sich an Joach und den anderen vorbei.
Joach folgte ihm. »Ich dachte, sie wollte eine Weile allein …«
Er’ril beachtete ihn nicht. Er stürmte durch die Bugluke und sprang die Treppen hinab.
Joach lief hinterher. »Was hast du denn bloß?«
Er’ril antwortete nicht, sondern raste wie von Furien gehetzt in den Schiffsbauch hinab. Er hatte zu sehr darauf vertraut, dass sie hier oben in den Lüften völlig von der Welt abgeschnitten waren. Er war leichtsinnig geworden, hatte sich darauf verlassen, dass Joach wenigstens für kurze Zeit auf seine Schwester Acht geben würde. Doch schon ein Augenblick konnte ausreichen, um alles zu verlieren.
Unten angekommen, stürmte er durch den Korridor. Hoffentlich kam er noch nicht zu spät. Ihre Kabine lag ganz am Ende. Bisher schien alles in Ordnung zu sein.
Joach rannte hinterher und schrie: »Was glaubst du …?«
Vor ihnen wurde die Tür aus den Angeln gerissen und flog durch den Gang. Er’ril wurde zurückgeschleudert und prallte gegen Joach. Die Tür sauste wie ein Hammer auf sie zu und traf Er’ril an der Schläfe. Alle Geräusche verstummten, sein Blickfeld verrutschte, und die Zeit blieb stehen.
Dann krachte er auf die Planken und schlug sich noch einmal den Kopf an. So sehr er auch dagegen ankämpfte, die Welt entglitt ihm … und er stürzte in die Finsternis.
Nach der Magik Explosion blinzelte Elena unter Tränen. Sie war noch immer an die Wand gefesselt. Sie hatte Kopfschmerzen, ihr Herz schlug wie rasend,
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