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Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Titel: Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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Mutproben. Am Abend, wenn sich der erste Vollmond des Sommers im stillen Wasser des größten Sees der Westlichen Marken spiegelte, würden die Festlichkeiten an den Ufern ihren Höhepunkt erreichen. In den alten Sagen hieß es, in dieser Nacht erfüllten die Geister des Waldes jedem, der in den mondhellen Fluten badete, einen Wunsch.
    Greschym waren die Sagen herzlich gleichgültig. Er hatte alles, was er brauchte: eine Kanne Bier, einen vollen Magen und die nötige Energie, um die Freuden des Lebens auch genießen zu können. Eine Schankmagd kam an den Tisch und füllte ihm den leeren Becher. Er kniff sie kräftig in das gut gepolsterte Hinterteil.
    Sie quiekte auf, rief vorwurfsvoll: »Meister Dismarum!« und flüchtete, aber nicht, ohne ihm dabei zuzuzwinkern.
    Er hatte die letzten Nächte bei ihr geschlafen. Eine Hand voll Kupfermünzen hatte ihm ihre Tür geöffnet. Die Erinnerung an die langen Nächte in ihren Armen dämpfte sein Interesse an Gauklern, die mit brennenden Kienspänen jonglierten.
    Greschym warf einen Blick in den fleckigen Spiegel über der Theke und betrachtete sein eigenes Bild. Sein Haar glänzte im Fackelschein des schäbigen Wirtshauses wie rotes Gold, das Feuer der Jugend strahlte ihm aus den Augen, sein Rücken war gerade, die Schultern breit und kräftig. Wahrscheinlich hätte ihn die Schankmagd früher oder später auch ohne die Kupfermünzen in ihr Bett gelassen. Aber wozu warten, bis aus flüchtigem Interesse heiße Liebe wurde, wenn man mit ein paar Münzen viel schneller ans Ziel kam?
    Geduld war nicht die Stärke der Jugend.
    Greschym war fest entschlossen, das Leben mit all seinen Leidenschaften und Genüssen voll auszukosten. Seit er sich von seiner Hinfälligkeit befreit hatte, wollte er beweisen, wozu sein neuer Körper imstande war. Deshalb stemmte er sich jetzt in die Höhe und griff nach dem Stab, der am Tisch lehnte. Als Stütze brauchte er ihn nicht mehr, aber er half ihm, seine Kräfte zu bündeln.
    Er strich mit den Fingern über den hohlen Knochen. Der Stab bestand aus dem Oberschenkel eines langbeinigen Wybog aus den hiesigen Wäldern. Die Röhre war an beiden Enden mit einem Pfropfen aus getrocknetem Lehm verschlossen und mit dem Blut eines neugeborenen Holzfällerkindes gefüllt. Greschym hatte die Lebensenergie des Findlings mit einem alten Bann an sich gezogen und den Stab damit aufgeladen.
    Nun kehrte er der Bühne den Rücken und richtete den Stab auf den Gaukler. Der stolperte. Seine Fackeln flogen unkontrolliert durch den Raum. Die Männer rannten mit den Wassereimern herbei, um sie zu löschen, bevor das Stroh auf dem Fußboden Feuer fangen konnte.
    Greschym lächelte, als es hinter ihm auf einmal heller wurde. Flammen schlugen hoch. Gäste und Gaukler schrien erschrocken auf. Am liebsten hätte er laut aufgelacht. Wasser in Öl zu verwandeln war für ihn ein Kinderspiel.
    Das Feuer breitete sich rasend schnell im ganzen Schankraum aus. Greschym schritt gemächlich durch die Tür. Hilfeschreie gellten hinter ihm her.
    Vor dem Wirtshaus lag der Mondsee wie eine riesige Kupferplatte im Schein der untergehenden Sonne. Ringsum wuchsen Ahornbäume und Kiefern, so weit das Auge reichte. Aus Anlass der Feierlichkeiten waren in den vergangenen Tagen zwischen den Bäumen Dutzende von bunten Zelten wie Sommerblumen aus dem Boden geschossen. Die Gäste waren aus ganz Alasea zusammengeströmt. Alle freuten sich auf die Nacht, in der unzählige Badende dem Vollmond ihre Wünsche zuflüstern würden.
    Greschym selbst war schon vor zwei Wochen eingetroffen und hatte vor, bis nach dem Fest zu bleiben. Er wollte das Leben in seiner ganzen Fülle genießen und hatte ganz eigene Pläne für die bevorstehende Nacht. Interessiert beobachtete er, wie hunderte von Besuchern durch die Straßen des kleinen Dorfes schlenderten und mit Trödlern und Gewürzhändlern feilschten. Es gab so vieles, was aufs Neue erkundet werden wollte.
    Als er das Dorf verließ und auf den Wald zuschlenderte, musste er an sich halten, um seinen Knochenstab nicht durch die Luft zu wirbeln. Seine Beine schritten kräftig aus; kein Rasseln war zu hören, wenn er die Luft in seine Lungen sog. Sogar das Gehen war eine Lust.
    Aus purem Übermut richtete er seinen Stab auf einen Mann, der einen an der Kette liegenden Schnüffler triezte. Das blauhäutige Raubtier knurrte drohend, zerriss unversehens seinen Maulkorb und biss seinem Peiniger drei Finger ab.
    Greschym ging weiter. Hinter sich hörte er Peitschen

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