Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
knallen. Männer versuchten, den Schnüffler von seinem schreienden Opfer wegzutreiben. »Vielleicht wünschst du dir heute Nacht ein paar neue Finger«, murmelte der Magiker.
Er hatte den Wald erreicht und beschleunigte seine Schritte. Seine Muskeln arbeiteten kraftvoll, alle Gelenke waren schmerzfrei beweglich. Nach Jahrhunderten der Gefangenschaft in einer hinfälligen Greisengestalt kannte seine Freude an diesem jugendlichen Körper keine Grenzen. Die Jungen wussten ihre Jugend gar nicht zu schätzen.
Der Wald wurde zunehmend dichter und die Bäume höher.
Greschym konnte kaum noch die Hand vor den Augen sehen. So nahm er als Erstes den Geruch wahr: Es stank nach nasser
Ziege und zerrissenen Gedärmen. Er betrat eine Lichtung und stand auf einem Schlachtfeld. Mittendrin kauerte sein Diener Ruhack, umgeben von den Kadavern zahlloser Waldtiere. Der Stumpfgnom wühlte mit der Schnauze im Bauch eines Rehs und riss mit zufriedenem Knurren große Fleischfetzen heraus.
»Ruhack!« bellte Greschym.
Die Kreatur zuckte zusammen wie vom Blitz getroffen, sprang noch in die Luft und quiekte wie ein Schwein. Ihre kleinen spitzen Ohren zuckten. »M meister!«
Greschym betrachtete die blutige Szene. Die meisten Kadaver waren nur angenagt er hatte sich nicht als Einziger an den mannigfaltigen Genüssen dieser Gegend ergötzt. »Wie ich sehe, warst du in meiner Abwesenheit sehr fleißig.«
Ruhack kauerte sich wieder auf den Boden. »Gut hier … gutes Fleisch.« Er riss dem Reh mit einer Krallenhand das Hinterbein ab und streckte Greschym die blutige Keule entgegen. »M meister auch essen …?«
Greschym war so zufrieden, dass er nicht einmal wütend wurde. Wenigstens war der Stumpfgnom da geblieben, wo er ihn zurückgelassen hatte. Er war nicht sicher gewesen, ob der Unterjochungsbann ohne Auffrischung so lange vorhalten würde. »Geh und wasch dich!« befahl er und zeigte auf einen nahe gelegenen Bach. »Sonst riecht man dich bis ins Dorf, obwohl du meilenweit weg bist.«
»Ja, Meister.« Der Gnom trottete zum Bach und sprang kurzerhand hinein.
Greschym ließ ihn plantschen und schaute zum Dorf zurück. Er wollte das nächtliche Fest zu einem besonders denkwürdigen Ereignis werden lassen. Doch dazu bedurfte es gewisser Vorbereitungen. Er wollte nicht, dass irgendetwas seine Pläne störte.
Er bohrte den Knochenstab in den weichen Waldboden, bis er von selbst aufrechtstand. Dann fuhr er mit der linken Hand mehrmals darüber hin und bewegte dabei stumm die Lippen. Aus dem Stab drang Kindergeschrei.
»Still«, flüsterte er und streckte den rechten Arm aus. Ölig schwarzer Rauch wogte aus dem verstopften Ende des Röhrenknochens. Greschym hielt seinen Armstumpf in die Schwaden und begann leise mit dem Bann, den er in dieser Nacht einzusetzen gedachte.
Noch bevor er fertig war, hob eine Stimme aus dem Inneren des Knochens an zu sprechen und es war keine Kinderstimme mehr. »Ich habe dich gefunden!« hallte es weit in den dunklen Wald hinein.
Greschym erkannte das heisere Organ. »Schorkan«, zischte er und wich einen Schritt zurück.
Der Rauch über dem Stab verdichtete sich, ein Männergesicht mit rot glühenden Augen entstand in den Schwaden. Die Standi Züge waren unverwechselbar. Die schwarzen Lippen bewegten sich. »Du verkriechst dich also vor dem Zorn des Meisters in den Wäldern!«
»Ich bin ihm schon einmal entkommen«, fauchte Greschym. Er hatte den Bann erkannt, durch den das Rauchgesicht entstanden war. Ein einfacher Suchzauber, kein Grund zur Besorgnis. »Und es wird mir wieder gelingen. Noch bevor diese Nacht vorüber ist, habe ich so viel Macht, dass mich nicht einmal das Schwarze Herz selbst mehr findet.«
»Das glaubst du.« Eine Pause trat ein, dann erscholl Gelächter aus weiter Ferne. »Natürlich, der Mondsee.«
Mit finsterem Blick hob Greschym seinen Armstumpf und kehrte den Bann um. Nun konnte er auf Schorkans eigene Energien zugreifen und kurzzeitig mit den Augen des anderen Magikers sehen. Der Mann befand sich weit weg aber er war nicht in Schwarzhall. Erleichtert drang Greschym weiter vor, doch auf einmal wurde er mit solcher Kraft zurückgeschleudert, dass er fast gefallen wäre.
»Du bist hier nicht erwünscht, Greschym, also dränge dich nicht auf.« Damit wurde die Verbindung unterbrochen, und das Rauchgesicht verflüchtigte sich.
»Gleichfalls, du Bastard«, murmelte Greschym, aber Schorkan war schon nicht mehr da. Rasch sprach Greschym einen Schutzzauber, um zu verhindern, dass
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