Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
noch einmal jemand in seine Magik Sphäre eindrang.
Er sah den Stab so böse an, als wolle er ihn für den Zwischenfall verantwortlich machen. Dabei war er ganz allein selbst schuld. Wie hatte er nur so leichtsinnig sein können, einen starken Bann zu wirken, der so einfach aufzuspüren war? Er kniff die Augen zusammen und spähte nach Osten, als könnte er durch die Zahnberge sehen. »Was treibst du in Winterberg?«
Obwohl sein Erzfeind hinter den Bergen war, trübte nun ein Hauch von Besorgnis Greschyms Zuversicht. Der andere Magiker hatte eine so unerträgliche Arroganz ausgestrahlt. Greschyms Pläne hatten ihn nur belustigt, ohne ihn weiter zu kümmern. »Und was führst du im Schilde?«
Greschym bekam keine Antwort. Als er nach dem Stab greifen wollte, sah er, dass sich noch ein Rest des Suchzaubers erhalten hatte. Er zögerte. Es widerstrebte ihm, Magik zu vergeuden. So stellte er den Bann mit den Energieresten, die Schorkan zurückgelassen hatte, wieder her und schwenkte seinen Armstumpf.
Rauch wogte auf und verdichtete sich. Ein neues Gesicht entstand, alt und runzelig, von schütterem weißem Haar umrahmt. Greschym streckte die Hand aus und streifte die Wange des Greises. Uralt, gebrechlich, dem Tode nahe …
Der Zauber enthielt nur noch wenig Energie, aber Greschym versuchte, den Menschen hinter dem Nebel zu erspüren. »Joach …«, flüsterte er. »Wie fühlt man sich, mein Junge, in einem Gewand aus welkem Fleisch und knirschenden Knochen?«
Er erriet, dass der andere schlief, den Spätnachmittag in A’loatal verdöste. Joach atmete in rasselnden Zügen, und sein Herzschlag war hart und unregelmäßig.
Greschym zog sich lächelnd zurück. Er wagte nicht, noch weiter zu gehen; der Junge oder vielleicht besser: der Greis war immer noch ein starker Traummagiker. Er durfte nicht riskieren, in Joachs Träume zu geraten.
Sobald er die Verbindung gelöst hatte, beendete Greschym den Bann. Dann sah er an seinem eigenen straffen, aufrechten Körper hinab, holte tief Atem und ließ die Luft langsam ausströmen.
Es war herrlich, wieder jung zu sein … jung und dazu noch mächtig!
Joach schreckte aus dem Schlaf. Er zitterte am ganzen Leib. Die Laken auf seinem Bett waren nass geschwitzt und klebten an seiner gebrechlichen Gestalt. Der Albtraum verfolgte ihn weiter. Er war sehr lebhaft gewesen, und Joach ahnte, dass es kein gewöhnlicher Traum gewesen war. Nicht so kraftvoll wie ein Gewebe mit prophetischer Bedeutung, sondern eher wie ein wirkliches Ereignis.
»Greschym«, murmelte er ins Leere. Der Schweiß kühlte rasch ab, und er begann zu frösteln. Ein leichter Wind bewegte die Vorhänge. Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihm, dass die Sonne bald unterging.
Stöhnend schwenkte er die Beine aus dem Bett. Nach den Strapazen dieses Tages und der vergangenen Nacht war er völlig erschöpft. Muskeln und Gelenke protestierten bei jeder Bewegung. Aber er brauchte Gesellschaft, um die Erinnerung an diesen Albtraum loszuwerden.
Joach griff nach seinem Stab, doch sobald er das versteinerte Holz berührte, schoss ihm ein brennender Schmerz durch den Arm bis ins Herz. Er krümmte sich und schnappte nach Luft. Dabei betrachtete er den Stab aus dem Augenwinkel. Das graue Holz war zwischen seinen Fingern weiß geworden. Sein Blut strömte in roten Streifen aus der Hand ins Innere.
Schlaftrunken, wie er war, hatte er vergessen, den Handschuh anzulegen, und so mit seiner Berührung ungewollt die Blutwaffe aktiviert. Als der Schmerz abgeklungen war, stand er mühsam auf und hob den Stab. Er kam ihm leichter vor, besser zu handhaben eine Folge der Magik Bindung. Die im Holz gespeicherte Traumenergie wartete nur darauf, dass er sie abrief. Wie der Stab war sie ein Teil seines Körpers geworden.
Joach richtete den Stab auf das halb gefüllte Waschbecken und schickte einen Magik Faden aus. Aus dem Wasser wuchs ein Röschen. Joach hatte schon einmal ein solches Gebilde entstehen lassen. Er hing der Erinnerung nach: die nächtliche Wüste, die kleine Scheschon zwischen Kesla und ihm, und eine Rose, geschaffen aus Sand und Traum, um das verängstigte Kind zu beruhigen.
Er senkte den Stab und durchtrennte den Faden. Die Blume zerfiel. Das Wasser im Becken blieb unbewegt.
Nur ein Traum.
Die Erinnerung an Kesla hatte ihn in tiefe Schwermut gestürzt. Joach klemmte sich den Stab in die Armbeuge und nahm die Hand weg. Mit Träumen wollte er gerade jetzt nichts zu tun haben.
Sobald die Verbindung unterbrochen war, fand der
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